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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL204
den Rang in der Tabelle, sondern ihre eigene sogenannte Kill-Death-Ratio als be-
sonders bedeutungsvoll ein. „Man will ja, wie es so schön heißt, positive Stats ha-
ben“, kommentiert Petator im Interview. (IV18) Die geläufige Redewendung der
„positiven Stats“ meint konkret: „Ich will [...] auf jeden Fall mehr Kills gemacht
haben als dass ich gekillt wurde.“ (IV18) Eine besonders hohe Kill-Death-Ratio
wird innerhalb von gemeinsam spielenden Gruppen auch regelmäßig hervorge-
hoben, indem man den entsprechenden Spieler lobt oder um seine Stats beneidet.
Die jeweils beneideten Spieler machen zugleich hin- und wieder Screenshots von
ihren Stats und laden sie auf ihr Gamerprofil auf einer Spieleplattform oder auch
auf Facebook hoch, um sie so ihrem Freundeskreis zu präsentieren.
Aus der Bedeutung der Kills als Leistungsindikatoren können wiederum wei-
terführende Emotionspraktiken hervorgehen. Signifikant ist beispielsweise der
immer wieder in Sprachkanälen zu hörende Vorwurf, dass ein Spieler einem an-
deren dessen Kill „geklaut“ habe. (FT) Der Vorwurf gründet auf der Ansicht, dass
sich ein Spieler, beispielsweise durch das Angreifen und Verletzen eines Gegners,
das Recht erworben hat, ihm auch den Todesstoß zu versetzen und den Kill als
Punkt einheimsen zu dürfen. Kommuniziert wird durch den Vorwurf des Kill-
diebstahls also auch der Ärger darüber, dass dieser gerechte Lohn und die mit
ihm einhergehende emotionale Erfahrung ausbleiben. Zugleich spricht der Vor-
wurf als regulierende Emotionspraxis dem Killdieb das Recht ab, sich über seinen
Erfolg freuen zu dürfen.
Kurzum: Das Gefühl, besser als andere zu sein, ist in Multiplayer-Shootern
vor allem gebunden an die Anzahl der erreichten beziehungsweise widerfahrenen
Kills. Diese sind, wie es der Spieler Gunni formuliert, die „logische Einheit, um
einen Maßstab zu haben, bei einem Ego-Shooter“.18 Ob logisch oder nicht – durch
die Wahl dieser Einheit wird eben nicht eine beliebige Leistung des Spielers, son-
dern sein virtuell-körperliches Können in der Ausübung von Computerspielge-
walt in den Mittelpunkt des Vergleichs gerückt.
Damage per Second
Das gilt auch dort, wo es nicht um den konkreten Kill als Maßstab, sondern um
das quantifizierbare Aktionspotenzial zum Killen geht. Ein Beispiel dafür bietet
die Spielkultur von The Elder Scrolls Online. Hier kommt, wie in Kap. 3.3.2 be-
schrieben, der permanenten Aufrüstung und Optimierung des eigenen Avatars
eine entscheidende Rolle für das Spielvergügen zu. Dabei wird der Avatarkörper
gewissermaßen eingehüllt in eine Vielzahl an Tabellen und Zahlenreihen, die
seine Stärken als Quantitäten veranschaulichen. Für jeden TESO-Avatar werden
beispielsweise die Werte für die Hauptattribute (Magicka, Leben und Ausdauer)
aufgeschlüsselt in zwölf differenziertere Einzelwerte beziehungsweise Prozen-
tangaben. So erfährt man alle Details zu Maximalstärken, Regenerationsfähigkei-
18 | Dieses Zitat entstammt meiner früheren Studie zur Spielkultur von Counter-Strike,
vgl. auch Bareither: Ego-Shooter-Spielkultur, S. 40.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364