Seite - 213 - in Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens
Bild der Seite - 213 -
Text der Seite - 213 -
KOMPETITIV UND KOOPERATIV 211
Aufwärmen der entsprechenden Muskeln (die notwendigen Bewegungen wäh-
rend des Spielens beschränken sich auf die Hände, Finger und Augen). Mit dem
Aufwärmen ist vielmehr ein Prozess des Sich-Einfindens in die embodiment rela-
tion zum eigenen Avatar gemeint. Denn die dadurch erreichte körperliche Unmit-
telbarkeit der durch den Avatar vermittelten Wahrnehmung wie auch der durch
ihn durchgeführten Spielaktionen ist nicht nur entscheidend für vergnügliche
virtuell-körperliche Erfahrungen, wie sie in Kap. 3 beschrieben wurden, sondern
zugleich Voraussetzung für den Erfolg in kompetitiven Prozessen. Fox fand sich
jedenfalls wie immer schnell in die embodiment relation zu seinem Avatar ein. Mit
einer kleinen Geste wies er einen Kumpel, der mit mir gemeinsam hinter ihm
saß, auf seine Stats hin: 50 Kills zu 30 Deaths, ohne sich wirklich anzustrengen.
Das Kopfweh schien völlig verflogen – er war in Topform.
Ganz nebenbei merkte Fox einem anderen Mitspieler gegenüber während
des Warmups an, er könne sich vorstellen, dass er auf dieser LAN „entdeckt“
werde. (FT) Diese beiläufige, beinahe schüchterne Anmerkung verweist auf ei-
nen Vorstellungshorizont, der für engagierte Counter-Strike-Spieler zum Alltag
gehört. Immer wieder zeigte sich in der teilnehmenden Beobachtung die Über-
zeugung, es gebe durchaus Spieler, die durch ihre Leistungen in Counter-Strike
berühmt werden und genug Geld mit dem Spielen verdienen, um davon Leben zu
können. Indem die ESL für ausgewählte Turniere hohe Preisgelder bezahlt und
die entsprechenden Matches wie eine konventionelle und populäre Sportart insze-
niert, inklusive professioneller KommentatorInnen, Vor- und Nachspielanalysen,
zahlreichen statistischen Auswertungen der einzelnen Leistungen und natürlich
Pokalverleihungen samt Konfettiregen,24 fördert sie diese Wunschvorstellung
einer Counter-Strike-Karriere und schürte so auch Fox’ schüchterne Hoffnung,
„entdeckt“ zu werden. Als ich Fox und Skilly während der Autofahrt fragte, ob
sie – wenn sie die Chance dazu bekämen – mit Counter-Strike gerne ihren Le-
bensunterhalt verdienen würden, antworteten sie ohne zu zögern: Natürlich, das
wäre ein Traum.
Vor diesem Hintergrund steht für die Spieler auch außer Frage, dass man
mit ludisch-virtueller Gewalt die gleichen Erfahrungen machen kann wie in ei-
nem konventionellen Sport, insbesondere, dass man dadurch die gleiche Art einer
emotional positiv zu deutenden Anerkennung erhält. In der Spielkultur von Coun-
ter-Strike werden die Konventionen klassischer Sportarten aufgegriffen und in
den Kontext des Computerspielens eingebettet. Dabei bleiben manche Praktiken
und Prozesse persistent, doch zugleich werden sie auf neue Weise rekombiniert
24 | Zahlreiche Bilder, Texte und Videos, die diesen Vorstellungshorizont mitkonstruie-
ren, finden sich bspw. auf http://pro.eslgaming.com/deutschland/. Dort wird im März
2015 auch in Großbuchstaben verkündet: „In 13 Jahren wurde in 29 Saisons insgesamt
2,734,000 € Preisgeld ausgelobt. Dabei wurde 145 mal ein Deutscher Meister gekürt.“
http://pro.eslgaming.com/deutschland/rueckblick/
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364