Seite - 221 - in Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens
Bild der Seite - 221 -
Text der Seite - 221 -
KOMPETITIV UND KOOPERATIV 219
viele andere nicht eindeutig und einsilbig zu artikulieren. Als ich Skilly im In-
terview frage, wieso gerade das virtuelle Töten mit so viel Prestige verbunden sei,
lacht er etwas verlegen und meint:
„Ich weiß nicht, das hat halt so ein bisschen Oberhand so, über einen. Du weißt, dass
du halt besser bist, den öfters umschießt. […] Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll
so, muss ich zugeben. Das ist halt so dann wieder so ein Männerding (lacht): ‚Ich bin der
Oberaffe!‘, so, keine Ahnung.“ (IV6)
Nimmt man diesen Artikulationsversuch ernst, ist es eine besondere Erfahrung,
„der Oberaffe“ zu sein – eine Metapher, die ganz wesentlich auf die Verknüpfung
von Leistung, Anerkennung und virtuell-körperlicher Dominanz verweist.34
„Mind Games“
Diese Verknüpfung wird auch durch weitere Emotionspraktiken auf der LAN-Par-
ty hervorgehoben, die nicht nur bestimmte emotionale Erfahrungen (wie Erfolgs-
erlebnisse, Stolz oder Frustration, s.o.) artikulieren, sondern diese strategisch mo-
bilisieren. Immer wieder versuchen Spieler durch die gezielte Mobilisierung von
Emotionen den Leistungsvergleich zugunsten des eigenen Teams zu entschei-
den. Wie in der Beschreibung des Turniers deutlich wurde, erfordern die Counter-
Strike-Kämpfe hohe Konzentration und finden in einer angespannt-ehrgeizigen
Atmosphäre statt. Mit Fortschreiten der LAN-Party rücken die siegreichen Teams
nicht nur in höhere Leistungsstufen vor, sondern zugleich setzen ihnen Schlaf-
mangel und Erschöpfung deutlich zu. In diesem Prozess ist es für die Spieler
entscheidend, ihre Konzentration, Motivation und die Lust am Spiel aufrecht zu
erhalten. Um das zu erreichen, „pushen“ sie sich gegenseitig durch verschiedene
Ausrufe wie beispielsweise: „Das schaffen wir!“, „Wir machen die noch!“, oder:
„Komm, das holen wir jetzt noch!“ (FT) Paradigmatisch dafür ist der meist mit
besonderer Emphase ausgerufene Spruch: „Auf geht’s!“, der häufig durch die
Turnhalle schallt beziehungsweise absichtlich den besonders müden Spielern von
ihren Teamkollegen direkt ins Ohr gebrüllt wird. (FT) Hier sind aber auch Ges-
ten wichtig, allen voran das Fistbumpen oder Abklatschen mit den Teamkollegen
nach einer erfolgreichen Aktion, das Anerkennung für die Leistung des anderen
signalisieren und zugleich Motivation zur Aufrechterhaltung dieses Leistungsni-
veaus sein soll. Skilly nennt das im Interview eine „Teamförderungsmaßnahme“
und Fox kommentiert: „Dieses Abklatschen zeigt ja auch: ‚Ey, es war was Gutes,
und so soll’s weiter gehen!‘, und so. Und: ‚Ich will jetzt nächste Runde wieder nen
Bounce [Fistbump, C.B.] haben!‘, sozusagen.“ (IV6)
So wie sich Spieler auf solche Arten und Weisen motivieren, versuchen sie die
anderen Teams zu demotivieren, indem sie wie Fox beispielsweise den Ausruf
34 | Dass Skilly diese Erfahrung für ein „Männerding“ hält, heißt nicht, dass sie tatsäch-
lich auch nur von männlichen Spielern gemacht wird (vgl. Kap. 3.1.6).
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364