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KOMPETITIV UND KOOPERATIV 221
Ich erwidere, dass man sehen könne, wie eindrucksvoll solche Erfahrungen sei-
en, wenn man auf der LAN-Party gemesserten Spielern ins Gesicht schaue. Fox:
„Ja, da hast du recht. Also es ist schon ... Wenn man selber geknifed wird, das
tut hammerdoll weh. Also wir versuchen da immer sehr ruhig zu bleiben. Aber
innerlich, Alter, das bruddelt.“ (IV6) Es komme zwar darauf an, wie man gekni-
fed werde, also ob man selber überhaupt schuld war oder einfach nur Pech hat-
te, „aber trotzdem: Also geknifed zu werden ist … oben links [in einer digitalen
Anzeige auf dem Bildschirm, C.B.] steht halt einfach nur, dass jemand geknifed
wurde“, was bedeutet, dass es alle Spieler sehen können. Und da komme einem
„einfach dieser Gedanke: ‚Alter, wie denken die grade über dich, dass du gekni-
fed wurdest?‘“ (IV6) Spieler wissen um diese Scham, die man empfindet, wenn
man gemessert wird, und können das Messern deshalb gezielt einsetzen. „Also
Messern ist natürlich“, so erklärt es der ehemals professionell spielende Lee im
Interview, „in dem Sinne eigentlich eine Demütigung. Also das versucht man
eigentlich damit.“ (IV17)
Zwar mag das Messern eine tatsächlich nur gelegentlich zur Anwendung
kommende Praxis sein, sie demonstriert jedoch deutlich die Möglichkeit einer
Verschränkung der Erfahrung sozialer Dominanz (durch Ausübung virtuell-kör-
perlicher Gewalt) mit einem spannungsreichen Leistungsvergleich. Wer geknifed
wird, ist schlechter, zweifelt an sich selbst und wird zugleich gedemütigt. An-
dersherum fühlt sich der Sieger auch virtuell-körperlich überlegen. Genau des-
halb wird das Messern gerne in Wettkämpfen eingesetzt, weil es dabei hilft, die
Gegner zu demoralisieren und dadurch ihre Chancen im Leistungsvergleich zu
schwächen.
Vielleicht nicht für alle, aber doch für viele Spieler ist die Verknüpfung von
Dominanzerfahrungen und Leistungsvergleich integraler Bestandteil der kom-
petitiven Prozesse in Ego-Shootern. Das heißt allerdings nicht, dass sie dabei die
Konventionen eines primär als sportlich markierten Turniers aus dem Blick ver-
lieren. Gerade nach hitzigen Gefechten klatschen die Gegner auf einer LAN-Party
persönlich miteinander ab, womit man, wie Fox sagt, „auch zeigt, dass es halt
ein schönes Spiel war, ein faires Spiel war, und so weiter.“ (IV6) Auch hier gilt
also, dass das „ludisch“ in „ludisch-virtuelle Gewalt“ eine wichtige Rolle spielt:
Der Umgang mit Repräsentationen physischer Gewalt erlaubt ein stetes Chan-
gieren zwischen Ernst und Unernst. Die ihr anhaftenden Emotions- und Bedeu-
tungspotenziale können nach Belieben eingesetzt werden, um den Spielprozess
zu bereichern. Die Zusammenführung von Computerspielgewalt und Sport ist
also keinesfalls als ein Rückfall in (mit Elias gesprochen) unzivilisiertere Tage des
Sports zu verstehen, sondern als eine aus Sicht der Spieler effektive Nutzung der
Potenziale ludisch-virtueller Gewalt zur Mobilisierung emotionaler Erfahrungen
im Leistungsvergleich.
Die Pointe kam zuletzt: Vergeblich warteten die Blackshades die ermüdende
Siegerehrung ab, bei der jeder Gewinner jedes noch so kleinen Nebenturniers der
LAN-Party mit einer Urkunde, Medaille oder Pokal und einem Sachpreis bedacht
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364