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KOMPETITIV UND KOOPERATIV 241
„Gewissenskonflikt“. „Ihr seid böse!“, schlussfolgerte er schließlich an seine Mit-
spieler gewandt. „Ihr seid böse. Ich würde zwar auch gern was haben, aber gönnt
euch selber alles.“ Und mit leicht ironischem Unterton fügte er an: „Dann klebt
das Blut an euren Händen!“ Der Spieler Tobi erwiderte trocken: „Ich nehm nur,
was mir zusteht.“ (FT)
Dann betrat auch Rocky, dessen Avatar getötet wurde, den Sprachkanal und
fragte seine Mitspieler, was der Scheiß solle. Zur Antwort bedankten sie sich nur
provokativ für sein Loot. Der Spieler Fenre, der unter den Angreifern war, warf
derweil noch Granaten auf die Garage von Rocky, so dass dessen mühsam repa-
rierte Fahrzeuge darin zerstört wurden – ganz offensichtlich eine Strafmaßnah-
me. Mogli murmelte derweil: „Echt grausam, ey.“ (FT)
Im Interview rechtfertigt sich der Spieler Tobi auf meine Nachfrage hin für
diese Aktion, an der er selbst als treibende Kraft beteiligt war: „Das war eigentlich
auch nur aus … ja, aus Wut kann man sagen, weil ich einfach sauer auf ihn war.
Er beleidigt einen ohne Grund, er meint immer, alles [Loot, C.B.] ist seins.“ Solche
Leute sollten lieber nicht in einer Gruppe spielen, fügt er an: „Und das mit dem
Haus leer räumen haben wir sozusagen als Lektion gemacht. Vielleicht lernt er ja
daraus und denkt mal darüber nach.“ Wenn er mit ihnen weiterhin zusammen-
spielen wolle, so Domi, müsse er halt lernen, mit anderen zu teilen. (IV21)
Dieses Beispiel ist nicht alltäglich. In den meisten Online-Games gibt es gar
nicht die Möglichkeit für solche harten Gruppensanktionen durch die Ausübung
von Computerspielgewalt. Doch es demonstriert, was in Online-Games oft auf
subtilere Weise geschieht: Computerspielgewalt bindet Spieler zu emotionalen
Gemeinschaften zusammen, doch auf die gleiche Weise wird sie zum Grund und
zugleich zum Mittel der Ausgrenzung beziehungsweise Neuaushandlung von
Zugehörigkeiten innerhalb derselben. Nur wer die gleichen Werte teilt, auf die
gleiche Weise eine emotionale Bindung zur Gruppe verspürt und das auch durch
kampfbezogene Taten (wie hier das Teilen der gemeinsam erkämpften Beute)
kommuniziert, der kann dazugehören.
Professionalisierung und Anerkennung
Dieser Aspekt wird umso wichtiger, je weiter sich Spielergruppen professionali-
sieren, zum Beispiel in TESO: Als Marco und Tarox eines Abends in einer wichti-
gen Gildenbesprechung mit ca. 40 TeilnehmerInnen zu den PvP-Leitern ernannt
wurden, verkündeten sie sogleich, dass nun andere Seiten aufgezogen werden.
„Was wir vorhaben ist, euch erstmal zu trainieren“, erläuterten sie und stellten
gleich klar, dass nun auch der Umgangston im Sprachkanal härter werden würde.
Trainiert werden sollte unter anderem, wie Einzelne ihre Aufgabe in der Gruppe
erfüllen können, wie man sich als Gruppe bewegt, wie weit man zu „pushen“ (also
vorzustürmen) hat, wie man gegnerischen Angriffen ausweichen kann, und so
weiter. „Solche Sachen werden wir euch wirklich bis auf’s Erbrechen beibringen“,
unterstrichen sie mit Nachdruck. Da hätten zwar alle „noch viel Arbeit“ vor sich,
aber durch hartes Training – so versicherten sie – würden wir es schaffen. (FT)
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364