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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL242
Ich selbst war überrascht über die Härte des Tons, der hier angeschlagen wur-
de. Bisher hatte ich das TESO-PvP nur mit meiner kleinen Gruppe gespielt und
höchstens kleinere Scharmützel bestritten oder als Zaungast an großen Schlach-
ten teilgenommen. Schließlich war ich aber dieser größeren, über hundert Mit-
glieder vereinenden Gilde beigetreten und nun sollte ich Teil eines mehrere Dut-
zend Spieler umfassenden Kampfverbands für das PvP werden. Diese großen
Kampfverbände der Gilden sind die alles entscheidenden Faktoren im PvP-Modus
des Spiels. Sie sind, ähnlich wie Counter-Strike-Teams, teils hochspezialisierte,
professionalisierte und eingespielte Gruppen, die sich mehrmals wöchentlich für
ein Training verabreden, um dann gemeinsam besonders effektiv strategische
Punkte beziehungsweise Burgen der gegnerischen Fraktionen erobern zu kön-
nen. Die durch die beiden neuen PvP-Leiter eingeforderte Disziplin und das Ver-
ständnis des Trainings als „Arbeit“ (s.o.) sollte die erfolgreiche Teilnahme unserer
Gilde am PvP-Modus in TESO ermöglichen.
In anderen MMORPGs hatten die beiden Leiter über mehrere Jahre hinweg
Spielverbände von mehreren hundert Spielern koordiniert. Hier in TESO fanden
sie sich nun als Trainer eines eher amateurhaften Haufens wieder. Eine der wich-
tigsten Lektionen sei, fuhren sie in der Gildenbesprechung fort, dass man nicht
für sich selbst, sondern für die Gruppe handele. Um mit gutem Beispiel voran-
zugehen, versprach einer der beiden Anführer, auf den „akuten Heilermangel“
in unserer Gilde zu reagieren. Er werde „zum Wohle der Gruppe [...] noch einen
Heiler hochziehen“ – das heißt, er versprach mehrere hundert Stunden zu inves-
tieren, um einen zweiten, auf Heilung spezialisierten Avatar auf Maximalstufe zu
bringen und für die Gilde einzusetzen. „Ihr müsst die Scheuklappen wegnehmen
und anfangen, für die Gruppe zu denken“, ermahnten sie auch die anderen: „Je
mehr gruppentaugliche Skills ihr drin habt [je besser die Avatarfähigkeiten auf
die Unterstützung der Gruppe ausgelegt sind, C.B.], desto länger steht [überlebt,
C.B.] die Gruppe“, und desto mehr Punkte könne man bekommen, desto mehr
Burgen könne man einnehmen, und so weiter. (FT)
Nun wandte einer der anderen anwesenden Spieler ein, er habe bisher in der
Gilde die Erfahrung gemacht, dass man von Mitspielern teils tot liegengelas-
sen und nicht wiederbelebt werde, weil die anderen lieber weiter den Gegnern
nachjagen, um noch mehr Punkte zu machen. Tatsächlich ist ein ähnliches Ver-
halten auch in anderen Spielen ein Grund für Meinungsverschiedenheiten. In
Counter-Strike beispielsweise gehört es zu den regulierenden Emotionspraktiken
der professionellen Spieler, sich gegenseitig zu ermahnen, nicht „fraggeil“ bezie-
hungsweise „killgeil“ zu werden, also nicht zum Nachteil der Gruppe einem Kill
nachzujagen. (FT) Auch die PvP-Leiter kritisierten als Antwort auf die Nachfrage
in der TESO-Gildenbesprechung dieses Ich-bezogene Verhalten: „Dieses Ich wer-
den wir wirklich im Keim ersticken, hier geht es ums Wir!“, und ergänzten: „Wir
werden das Wir-Gefühl aufbauen. [...] Wir wollen halt auf das Wir-Gefühl raus,
damit wir später die Leute durch PvP begeistern können.“ (FT)
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364