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KOMPETITIV UND KOOPERATIV 243
Ich selbst empfand diesen Anspruch, ein „Wir-Gefühl“ zu erschaffen, als star-
ken Kontrast zum Auftreten der beiden Leiter. Immerhin schlugen sie einen alles
andere als freundlich-geselligen Ton an. In einer der ersten Trainingsenheiten
meckerte Tarox dann auch erst einmal diejenigen an, die sich zuerst auf einem
falschen Spielserver eingeloggt hatten: „Wir sind immer in Blutdorn [auf dem Ser-
ver namens ‚Blutdorn‘, C.B.]“, kommentierte er scharf und fügte hinzu: „Freizeit-
mäßig könnt ihr machen, was ihr wollt, aber sonst Blutdorn.“ (FT)
Mit militärisch anmutender Disziplin mussten mehrere Dutzend Spieler nun
lernen, nach dem Herunterzählen des Leiters von „3 ... 2 ... 1 ... Go!“ auf Komman-
do alle zugleich loszusprinten. Alle NachzüglerInnen wurden mit dem harten
Vermerk „Zu spät! Zu spät! Zu spät!“ für ihre Trödelei sanktioniert. (FT) Wer in
den folgenden Probekämpfen einmal zu weit nach vorn preschte, wurde sofort
ermahnt, nicht killgeil zu werden. Und im Sprachkanal herrschte natürlich eiser-
ne Kommunikationsdisziplin. Wer im Kampf etwas Nicht-Kampfbezogenes sagte
oder gar herumblödelte, wurde angefahren, die Schnauze zu halten – so waren im
Sprachkanal nach kurzer Zeit fast nur noch die konzentrierten strategischen An-
sagen der Leiter und einzelner Mitglieder zu hören. Als wir in einem ersten Test-
lauf blindäugig in einen Spezialzauber der Gegner hineinrannten, der eigentlich
durch einen roten Warnkreis am Boden markiert war, empörte sich Tarox ohne
Zurückhaltung: „Guckt auf den verfickten Boden! [...] Wenn da ein roter Kreis ist
mit einer Flagge drin, dann geht da raus!“, schrie er uns förmlich an. (FT)
Trotz des unschönen, alles andere als spielerisch anmutenden Umgangstons,
beschwerte sich keiner der Beteiligten. Alle schienen vielmehr eifrig damit be-
fasst, den Anforderungen der Gruppe gerecht werden zu können. Erst langsam
begriff ich, dass die Markierung des Trainings als Nicht-Freizeit beziehungsweise
Arbeit, der ruppige Umgangston und die militärisch anmutende Diszipli nierung
von den meisten anwesenden Spielern als Teil eines ingesamt positiv empfun-
denen Prozesses der Professionalisierung gedeutet wurden. Sie wollten Teil je-
ner perfekt funktionierenden Einheit sein, die das strenge Training aus unserem
unkoordinierten Haufen machen sollte. Über viele Abende hinweg trafen wir uns
immer wieder, um uns dem teils sehr anstrengenden Training auszusetzen und
so gemeinsam besser zu werden.
Dieser Wandlungsprozess veränderte das Vergnügen an Computerspielge-
walt. Er ermöglichte es einerseits, dass wir nach und nach als Gruppe immer
herausragendere Erfolge feierten und ganze gegnerische Armeen besiegten, was
dem ein oder anderen ein vorsichtig geflüstertes „Wow!“ im Sprachkanal entlock-
te. (FT) Der Spieler Pandrael kommentiert im Interview: „Ja, es macht einfach
Spaß, wenn man halt sieht, dass das, was man übt oder was man eben neu da-
zulernt, dass man langsam eben lernt, das umzusetzen, und man freut sich na-
türlich, dass man es eben nicht umsonst gemacht hat, sondern hat eben auch ein
sichtbares Ergebnis dann quasi.“ (IV10) In diesem Sinne ermöglichte die Professi-
onalisierung der Gruppe eine Intensivierung des Vergnügens am gemeinsamen
Kämpfen, wie es in Kap. 4.2.1 beschrieben wurde. Zugleich schuf der Prozess
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364