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DRAMATISCH UND DEVIANT 249
onalen Erfahrungen im Umgang mit Computerspielnarrativen ergeben sich aus
dem jeweiligen Umgang mit diesen Narrativen durch die Spieler – und dieser
Umgang ist stets individuell, changiert zwischen Sich-Einlassen und Sich-Distan-
zieren, greift auf verschiedene (spielimmanente und spielexterne) Bedeutungs-
ebenen zurück oder wird in Multiplayer-Games auch durch den permanenten
Dialog mit anderen Spielern geprägt.
Im Zentrum dieses spielerischen Umgangs mit Narrativen steht (in den hier
untersuchten Actiongames) der Avatarkörper. Dabei grenze ich mich in der vorlie-
genden Studie entsprechend meines Verständnisses des Avatars als Medium und
Werkzeug virtuell-körperlicher Praxis von solchen Ansätzen ab, die in virtuellen
Körpern vor allem einen Ausgangspunkt zur Konstruktion spielbezogener „Iden-
titäten“ entdecken.4 Die wohl prominenteste Vertreterin dieser Perspektive ist
die US-amerikanische Psychologin Sherry Turkle, die sich bereits in den 1990er-
Jahren intensiv mit textbasierten Online-Rollenspielen, sogenannten Multi-User-
Dungeons (MUDs), auseinandersetzte und diese als „laboratories for experimen-
ting with one’s identity“ beschrieb.5 Aus empirisch-kulturwissenschaftlicher
Perspektive hat sich kurz darauf Anke Bahl mit MUDs beschäftigt und die im In-
ternet gebotene, „unendlich erweiterbare Anzahl an ungegenständlichen sozialen
Umgebungen, in denen sich das Selbst theoretisch auf immer neue Weise mani-
festieren kann“, beobachtet.6 Der in textbasierten Spielen auch textlich vermittelte
Körper eines Spielers, so Bahl, nehme dabei eine „kulturelle Funktion“ ein, inso-
fern er „gewissermaßen die Existenz und die Einheit dieser Figur(en) gewährleis-
tet“ und damit die Zuweisung einer „mehr oder minder eindeutig definierbare[n]
Identität“ erlaube.7 Seit den frühen 1990er-Jahren wird die Frage nach im Spiel
konstruierten „Identitäten“ auch in Bezug auf grafisch repräsentierte Avatare im-
mer wieder aufgegriffen.8 Die Ethnografin T.L. Taylor schreibt: „Avatars, in fact,
come to provide access points in the creation of identity and social life. The bodies
people use in these spaces provide a means to live digitally – to fully inhabit the
world. It is not simply that users exist as just ‚mind‘, but instead construct their
identities through avatars“.9
terspiel. In: Caja Thimm (Hg.): Das Spiel: Muster und Metapher der Mediengesellschaft.
Wiesbaden 2010, S. 79-104; Thon: Simulation vs. Narration.
4 | Mit dieser Abgrenzung folge ich Koch: Second Life, S. 224-226.
5 | Sherry Turkle: Life on Screen. Identity in the Age of the Internet. London 1997, S. 12.
6 | Anke Bahl: Zwischen On- und Offline. Identität und Selbstdarstellung im Internet.
München 1997, S. 10.
7 | Ebd., S. 130.
8 | Vgl. stellvertretend Boellstorff: Coming of Age in Second Life, S. 118-150; Yasmin B.
Kafai/Deborah A. Fields/Melissa S. Cook: Your Second Selves. Player-Designed Avatars.
In: Games and Culture 23 (2010), H. 5, S. 23-42; Misoch: Avatare.
9 | Taylor: Living Digitally, S. 40.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364