Seite - 270 - in Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens
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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL268
MKMod [eine gute Waffe, C.B.] und so. Das war so, so, so unnötig. Und ich bin unbewaff-
net runtergekommen und ich hab an ihn geglaubt, an die Menschlichkeit! Und er gibt mir
nen Headder, weißte? Das war richtig unnötig.“ (IV20)
Auf solchen Spielservern, auf denen die gleichen Spieler regelmäßig anwesend
sind, können sich aus einer solchen Verärgerung über eine als ungerecht (im letz-
ten Beispiel sogar als unmenschlich) gedeutete Ausübung von ludisch-virtueller
Gewalt dauerhafte Feindschaften ergeben. Vor allem die Vielspieler kennen die
Nicknamen der anderen Vielspieler und wissen, wer zu welcher Gruppe gehört.
Da sie sich regelmäßig gegenseitig angreifen, in den Rücken fallen, reinlegen,
ausrauben oder mutwillig die Fahrzeuge des anderen zerstören, entwickeln sich
langfristige Abneigungen. Auf den Spieler Maxo, so beispielsweise Fenre im In-
terview, habe er einen „tierischen Hass“. Denn neulich habe Maxo ihnen ohne
Grund ein Fahrzeug zerschossen, in dem sie das Loot von vier Stunden Arbeit
gelagert hatten. „Da war ich schon richtig angepisst“, kommentiert Fenre: „Am
liebsten wär ich da ... hätt ich das Flugzeug geholt und hätt es denen [der Spie-
lergruppe von Maxo, C.B.] mitten ins Lager reingeflogen, während die Leute da
alle waren.“ (IV5) Auch der Spieler Tobi hat ähnliche Situationen erlebt, in denen
sich Maxo „richtig assi“ verhalten habe, weshalb auch er zu dem Schluss kommt:
„Maxo hass ich einfach.“ (IV21)
Zwar reden längst nicht alle Spieler von Hass, doch auf die ein oder andere
Weise hegen die meisten von ihnen eine Abneigung gegen bestimmte gegneri-
sche Spieler. Borke beispielsweise verachtet nicht nur Maxo, sondern gleich meh-
rere seiner Teammitglieder. Sie würden, so Borke, immer zuerst angreifen, dazu
noch die schwächeren Teams, immer alles Loot rauben und obendrein seien sie
Camper, also besonders feige Spieler, die anderen auflauern und sie hinterrücks
erschießen. Im Interview erklärt er:
„Ich weiß nicht warum, aber ich hab voll den Hass auf die, weil das sind genau die Leute
gewesen, die am dritten Tag schon [als sich seine Spielergruppe noch nicht auf dem
Server etabliert hatte und noch sehr schwach war, C.B.], wir sind noch nicht mal an den
Häusern gewesen und zack waren wir tot, weil die schon […] wahrscheinlich eine Stunde
oder so davor schon vor unseren Häusern gecampt haben und nur gewartet haben, bis wir
die Häuser aufmachen [so dass sie ausgeraubt werden konnten, C.B.]. Und da hab ich mir
auch gedacht: ‚Okay, […] die brauchen wir nicht als Freunde – Feinde!‘“ (IV4)
Dass die Gegner hier aufgrund der widerfahrenen Ungerechtigkeit zu Feinden
werden, demonstriert, wie das Bedeutungspotenzial physischer Gewalt als eine
drastische Form der Ungerechtigkeit in die emotionalen Prozesse im Spielverlauf
eingebunden wird und diese dramatisch auflädt. Einzelne Personen oder ganze
Gruppen werden zu Feinden erklärt, denen man eine emotionale Abneigung ent-
gegengebringt. In der teilnehmenden Beobachtung in DayZ zeigt sich außerdem,
dass die Begründungen für die jeweilige Feindschaft fast ausschließlich hochgra-
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364