Seite - 303 - in Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens
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AMBIVALENT 301
„Ich hatte eigentlich gehofft, dass brutale Ballerspiele endlich der Vergangenheit ange-
hören, doch dann flatterte uns Ikari Warriors auf den Tisch. Ich weiß nicht, was sich die
Programmierer dabei denken (oder ob sie beim Entwickeln eines solchen Spiels über-
haupt mal denken), aber ich halte Ikari Warrior [sic] für schlichtweg geschmacklos. [...]
[W]enn ich in der Anleitung Sätze wie ‚Gnade ist hier fehl am Platz – Du bist ein Ikari-
Kämpfer‘ lese, vergeht mir schnell die Lust am Spielen. Das liegt nicht an der technischen
Qualität des Programms, sondern an der offensichtlichen Gewaltverherrlichung.“15
Sein Kollege Heinrich Lenhardt kommentiert dagegen in seinem Meinungskas-
ten: „Ich für meinen Teil gehöre zu den Leuten, die sich an solchen Geschmack-
losigkeiten relativ wenig stören, wenn das Spiel ansonsten gut ist. (Und bevor
jemand fragt: Ja, ich bin volljährig.)“16
Während auf der einen Seite durch solche Strategien die Frage nach der Le-
gitimität oder Illegitimität der Freude an Computerspielgewalt individualisiert
wird, vermehren sich ab Mitte der 1980er-Jahre auch diejenigen Testberichte,
die sich schlichtweg nicht mehr zu dieser Thematik äußern. Auch bei solchen
Actiongames, die kaum zu unterscheiden sind von denen, die in anderen Test-
berichten Empörung auslösen, schweigen sich die AutorInnen immer häufiger
aus. Das zunehmende Schweigen zu diesem Thema ist die vielleicht wirkmäch-
tigste kommunizierende Emotionspraxis zur Vermittlung der Akzeptanz dieses
Vergnügens, die im Laufe der 1980er-Jahre sichtbar zunimmt. Das heißt nicht,
dass ab den 1990er-Jahren gar keine Kritik mehr laut wird. Bis heute verweisen
ComputerspieltesterInnen gelegentlich auf die in ihren Augen geschmacklosen
Überschreitungen bei der Repräsentation physischer Gewalt in manchen Action-
games. Allerdings wird dort, wo das geschieht, stets darauf geachtet, diese Kritik
nur als eigene Meinung und nicht als generelle moralische Vorgabe zu vermit-
teln. Grundsätzlich setzt sich ab Anfang der 1990er-Jahre somit die Akzeptanz
des Vergnügens an Computerspielgewalt in Computerspielzeitschriften durch.
6.1.2 Positive Deutungen
Mit Ende der 1980er-Jahre entwickelt sich neben dieser Akzeptanz zugleich ein
darüber hinausgehender Diskursstrang. Immer öfter kommunizieren die Spiele-
testerInnen positive emotionale Erfahrungen, die nicht trotz, sondern wegen der
Computerspielgewalt gemacht werden. „Roadblaster von Atari muss man einfach
mal gespielt haben“, kommentiert beispielsweise Martin Gaksch 1988: „Es ist
schon ein tolles Gefühl, wenn man mit dem Wagen über die Straße braust und al-
15 | Gregor Neumann/Heinrich Lenhardt: Ikari Warriors. In: Happy Computer Spieleson-
derheft 3 (1986), S. 34. http://www.kultpower.de/archiv/heft_happycomputer_spieleson
derheft-3_seite34
16 | Ebd.
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364