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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL308
walt ausüben und dabei entweder den Sprung hin zur humorvollen Inkongru-
enz-Erfahrung gar nicht vollziehen oder permanent zwischen Belustigung und
Schockierung hin und her schwanken. Bei den mit Trevor in GTA5 vollzogenen
Überschreitungen ist das besonders häufig der Fall. Seine durch das Narrativ auf
spezifische Weise gerahmten Handlungen sind sprichwörtlich stets grenzwertig.
Einige LP-Folgen nachdem Piet zusehen musste, wie Trevor Johnnys Kopf zertritt
(s.o.), führt er mit dem Avatar eine Art vorgegebenen Amoklauf durch (der vom
Spiel allerdings nicht „Amoklauf“, sondern „Randale“, auf Englisch „Rampage“,
betitelt wird).36 Anders als bei freiwilligen Amokläufen (vgl. Kap. 5.3.1) ist man als
Trevor gezwungen, diese durchzuführen, wenn man die entsprechenden Neben-
missionen meistern möchte. Diese „Randalen“ beginnen stets damit, dass Trevor
mit computergesteuerten Personen Streit anfängt, dann von ihnen und ihren Ver-
bündeten attackiert wird und in kurzer Zeit so viele Gegner wie möglich töten
muss. Während Piet zu Beginn noch mit den gewöhnlichen Artikulationen von
Belustigung über humorvolle Inkongruenzen reagiert oder Stress ausdrückt, tritt
mitten im Kugelhagel langsam eine andere Stimmungslage in den Vordergrund:
„Oh, sind wir kranke Wichser. Wie viele Leute wir einfach nur killen! Das ist echt
mal ein bisschen freakiger [verrückter, C.B.] als sonst, muss ich mal sagen kurz,
bei GTA, das bin ich nicht von GTA gewöhnt, nicht in dieser Extremität.“ Er tötet
trotzdem mehrere Dutzend Gegner, besteht die Mission mit der besten Wertung
und freut sich darüber. Als er weiterläuft, zeigt er sich aber wiederum schockiert
über die zahlreichen herumliegenden Leichen: „Alter, haben wir hier ein verkack-
tes Massengrab angelegt.“ Er wechselt zu einem lässigen Tonfall: „Ja, so macht
Trevor das. So läuft der Hase hier.“ Er wechselt wieder zu einem ernsten Tonfall:
„Krank ... Einfach nur krank“, dann lacht er wieder: „Gut, gefällt mir, so halb. Is’n
bisschen echt freaky.“
Die drei vorgestellten Arten negativ gedeuteter emotionaler Erfahrungen ha-
ben eines gemeinsam: Die Spieler sehen sich innerhalb der Spielumgebung mit
Situationen konfrontiert, in denen ein nicht-spielbezogener common sense negative
Gefühle nahelegt. Zum Teil werden diese Situationen als humorvolle Inkongru-
enzen erlebt, doch manchmal driften sie ab ins Nicht-Vergnügliche. Begriffe wie
„brutal“, „krank“, „scheiße“, „krass“, „abartig“ oder „freaky“ (s.o.) bringen diesen
Perspektivwechsel deutlich zur Sprache. Sie zeigen, dass der Grund für die nega-
tiven Deutungen eine in den Augen der Spieler zu weit gehende Repräsentation
physischer Gewalt ist. Was genau als zu weit gilt, bleibt aber nur individuell zu
beantworten. Was die einen Let’s Player schockiert, nehmen andere gleichgültig
oder mit einem Lacher hin.
Klar wird aber – und hier liegt der entscheidende Punkt – dass feeling rules
in Bezug auf physische Gewalt innerhalb der computervermittelten Situationen
36 | PietSmiet (Piet): GTA 5 # 18 - Explosives Meth-Geschäft «» Let’s Play Grand Theft
Auto V | HD (3.10.2013), 20:35-22:20. https://www.youtube.com/embed/Ag6YFjxxUGo
?start=1235&end=1340
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364