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Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens
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GEWALT IM COMPUTERSPIEL318 Das schlechte Gewissen entsteht hier – das gleiche gilt für ähnliche Interviewaus- sagen von anderen Spielern –, weil Onkie einen Unbewaffneten tödlich verwun- det, obwohl er nicht hätte schießen müssen, was in seiner Deutung eine falsche Entscheidung war. Im Anschluss wird er in ein Gespräch mit dem Gegner ver- wickelt, der erst seine Traurigkeit artikuliert („Och Mann, jetzt ist’s schon wieder vorbei“, s.o.) und ihn obendrein bittet, das Werk zu vollenden (damit er mit einem neuen Avatar starten kann). Dadurch wird Onkie unerwartet auch mit den emoti- onalen Folgen seiner Handlung für den Gegner konfrontiert und zum als unan- genehm empfundenen Akt einer virtuellen Exekution gedrängt. Während andere Spieler genau solche Momente als lustig empfinden, fühlt Onkie sich schuldig. Auch in Multiplayer-Games greifen demnach zumindest bei manchen Akteuren feeling rules, die bei bestimmten Arten von ludisch-virtueller Gewalt negative Ge- fühle nahelegen. Diese Gefühlsregeln orientieren sich einerseits an Umgangs- weisen mit tatsächlicher physischer Gewalt: hier am common sense, dass man auf Unbewaffnete nicht schießt. Wichtig ist aber auch, dass die Spieler um die emoti- onalen Konsequenzen ihrer Handlungen wissen. Onkies Gegner ärgert sich nicht nur, er ist traurig. Während der Ärger und die Wut der Gegner positiv gedeutete Gefühle von Dominanz und Überlegenheit verstärken können (vgl. Kap. 3.1.5), mobilisiert ihre Traurigkeit teils andere, negativ gedeutete Gefühle. Grund dafür ist, dass diese Mitleid erregen. Ein Spieler, der besonders häufig Mitleid mit anderen Spielern hatte, war Mo- gli. Im Interview erzählt er, dass er eines Tages aber auch einmal ausprobieren wollte, wie das so ist, jemanden hinterrücks zu ermorden. In diesem Fall wartete er, bis ein ihm vertrauender Spieler einen Gegenstand aufhob, was den Avatar für einige Sekunden in einer Aufhebeanimation festhält, in der er praktisch wehrlos ist. Mogli nutzte die Chance und verpasste ihm einen Kopfschuss. Im Interview beschreibt er, wie er sich danach fühlte: „Also ich persönlich würd sagen, ich fand’s irgendwie armselig, also … (lacht bitter auf). Ich hätte den nicht mal gelootet [nicht seine Ausrüstung gestohlen, was sonst das Erste ist, was Spieler nach einem Kill tun, C.B.], ich bin nicht mal mehr hingegangen. Ich hab nur die Killmeldung gesehen und dachte mir: ‚Mir ist egal, was da [für Loot, C.B.] liegt, aber das ist mir dann doch irgendwie ein bisschen zu stumpf, zu armselig.‘“ (IV5) Ich erzähle Mogli im Interview meinerseits, dass ich solche Momente kenne und mich dabei irgendwie schlecht fühle, dann aber mir auch manchmal ins Fäust- chen lache und denke: „Hehe“. Mogli: „Ne, das ‚Hehe‘ hatte ich gar nicht. Also [ich fühlte mich] wirklich total schlecht und ich wollte auch nicht mal mehr die Leiche sehen. Ich bin dann wieder runter von dem Hoch- haus [auf dem er den Gegner erschossen hat, C.B.] und hab dann auch direkt die Stadt gewechselt. Da hat ich dann zu sehr ein schlechtes Gewissen. Ich hab alles liegengelas- sen und hab das auch eben reingeschrieben, dass er seine Sachen wiederhaben kann [im
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Gewalt im Computerspiel Facetten eines Vergnügens
Titel
Gewalt im Computerspiel
Untertitel
Facetten eines Vergnügens
Autor
Christoph Bareither
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-8394-3559-5
Abmessungen
14.8 x 22.5 cm
Seiten
370
Schlagwörter
Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
Kategorie
Medien

Inhaltsverzeichnis

  1. 1. Einleitung 7
  2. 2. Theorie und Methode 15
    1. 2.1 Vergnügen 15
      1. 2.1.1 Pleasure 16
      2. 2.1.2 Praktiken 18
      3. 2.1.3 Doing Emotion 24
      4. 2.1.4 Emotionale Erfahrungen 33
    2. 2.2 Ludisch-virtuelle Gewalt 39
      1. 2.2.1 Zum Problem individueller Wahrnehmung 40
      2. 2.2.2 Physische Gewalt 47
      3. 2.2.3 Virtuelle Gewalt 51
      4. 2.2.4 Ludische Gewalt 58
    3. 2.3 Forschungsdesign 63
      1. 2.3.1 Eingrenzungen 64
      2. 2.3.2 Teilnehmende Beobachtung online und offline 65
      3. 2.3.3 Qualitative leitfadengestützte Interviews 75
      4. 2.3.4 Let’s Play-Videoanalyse 77
      5. 2.3.5 Analyse von Computerspielzeitschriften 83
      6. 2.3.6 Softwaregestützte Analyse ethnografischer Daten 85
      7. 2.3.7 Abgrenzungen 89
  3. 3. Virtuell-körperlich 93
    1. 3.1 Angriff 93
      1. 3.1.1 Effektstaunen 94
      2. 3.1.2 Einschlagslust 101
      3. 3.1.3 Avatare als Medien virtuell-körperlicher Erfahrung 108
      4. 3.1.4 Gekonntheit und Eleganz 115
      5. 3.1.5 Dominanz 126
      6. 3.1.6 ‚Männliche‘ Erfahrungen 137
    2. 3.2 Widerfahrnis 147
      1. 3.2.1 Stress, Spannung und Schreck 147
      2. 3.2.2 Affizierung 157
      3. 3.2.3 Schmerz und Tod 167
    3. 3.3 Aufrüstung 174
      1. 3.3.1 Waffe, Rüstung, Kampfmaschine 174
      2. 3.3.2 Looten und Leveln 190
  4. 4. Kompetitiv und kooperativ 199
    1. 4.1 Besser sein 199
      1. 4.1.1 Highscore 200
      2. 4.1.2 Player versus Player 205
    2. 4.2 Zusammenhalten 222
      1. 4.2.1 Gemeinsam kämpfen 224
      2. 4.2.2 Emotional Communities 235
  5. 5. Dramatisch und deviant 247
    1. 5.1 Einfühlen 247
      1. 5.1.1 Sich-Einlassen und Sich-Distanzieren 248
      2. 5.1.2 Traurigkeit und Wut 253
      3. 5.1.3 Gerechte Gewalt 261
    2. 5.2 Feinde machen 266
      1. 5.2.1 Abneigung und Hass 266
      2. 5.2.2 Dynamik der Rache 272
    3. 5.3 Überschreiten 279
      1. 5.3.1 Humorvolle Inkongruenzen 281
      2. 5.3.2 Ärgern und Trollen 293
  6. 6. Ambivalent 297
    1. 6.1 Ablehnen, rechtfertigen, genießen 297
      1. 6.1.1 Von der Ablehnung zur Akzeptanz 297
      2. 6.1.2 Positive Deutungen 301
    2. 6.2 Sich schlecht fühlen 304
      1. 6.2.1 Schockierung, Mitleid und kritische Reflexion 306
      2. 6.2.2 Schuld 313
  7. 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
  8. Literatur und Anhang 333
  9. Literatur 333
  10. Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
  11. Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
  12. Verzeichnis der geführten Interviews 364
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