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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL326
gewesen zu sein. Ähnlich können beispielsweise die „Damage per Second“-Werte
in MMORPGs fungieren, durch die der eigene Avatar gewissermaßen zu einer
wandelnden Highscore-Tabelle wird.
Besonders komplex wird der Leistungsvergleich aber dort, wo man nicht nur
darum spielt, besser als die anderen gewesen zu sein, sondern wo man sich durch
die direkte virtuell-körperliche Konfrontation mit anderen misst. Rund um Ego-
Shooter wie Counter-Strike haben sich längst Spielkulturen gebildet, die sich an
bekannten Sportkulturen orientieren und deren Konventionen auf neue Weise
aufgreifen. Die für die vorliegende Studie beobachteten LAN-Partys demons-
trieren, wie im sogenannten „Electronic Sport“ aus Kriegsspielen sportlich ausge-
tragene Wettkämpfe gestaltet werden, wobei kommunizierende, mobilisierende
und regulierende Emotionspraktiken auf diese Sportlichkeit Bezug nehmen, um
die Freude am Leistungsvergleich zu intensivieren. Computerspielgewalt erweist
sich anhand der ethnografischen Materialien als ein besonders geeignetes Mittel
der Praktiken des Vergleichens, da ihre Bedeutungs- und Emotionspotenziale ein
Spiel mit Artikulationen von Dominanz und virtuell-körperlicher Überlegenheit
erlauben, aus der sich wiederum komplexe emotionale Prozesse der (als sportlich
verstandenen) Dominanz und Demütigung, des Wieder-Aufraffens und Sich-
Durchsetzens ergeben.
Solche kompetitiven gehen häufig mit kooperativen Erfahrungen einher. Für
viele Spieler hat das gemeinsame Kämpfen eine besondere emotionale Qualität,
weil die dabei gemachten Erfahrungen geteilt und dadurch intensiviert werden
können. Auch hier zeigte sich, dass Computerspielgewalt diesen Prozess begüns-
tigt, insofern sie die Spieler Extremsituationen ausliefert, in denen man aufein-
ander angewiesen ist und nur gemeinsam überleben kann. Dadurch entstehen
aus der Masse der Erfahrungen herausragende Momente, die auch gemeinsam
erinnert und gefeiert werden. In diesen Prozess werden zugleich Praktiken des
Schenkens von wertvollen Gegenständen oder des Helfens in brenzligen Situ-
ationen eingebunden, durch die Spielergruppen zu emotional communities zu-
sammenwachsen. Deren Aufgabe ist nicht nur die Organisation des Spielablaufs,
sondern vor allem die Aushandlung gemeinsamer Arten und Weisen des Fühlens
und die permanente Reflexion dieses Fühlens. Innerhalb von emotional communi-
ties wird beispielsweise mit Erfolgen bei der Ausübung von Computerspielgewalt
geprahlt und man lobt sich gegenseitig dafür, was die positiven Deutungen dieser
Tätigkeit diskursiv als wünschenswert vermittelt. Allerdings kommt es in Grup-
pen, wo Spieler nicht die gleichen Erfahrungsfacetten wertschätzen oder sich
nicht loyal zueinander verhalten, auch schnell zu Abspaltungen und Ausgren-
zungen. In manchen Spielen kristallisieren sich dadurch besonders professionell
und streng organisierte Gruppen heraus, in denen Selbstdisziplinierung und hart
erworbenes Erfahrungswissen zu Knotenpunkten der Zirkulation von Anerken-
nung und Stolz werden.
Kapitel 5 beschrieb schließlich, wie Computerspielgewalt als Bestandteil von
Narrativen und sozialen Dynamiken das Spielvergnügen dramatisch aufladen
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364