Seite - 332 - in Gewalt im Computerspiel - Facetten eines Vergnügens
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GEWALT IM
COMPUTERSPIEL330
Jede ernstzunehmende Analyse von und auch jede ernstzunehmende Kritik an
Computerspielgewalt muss zumindest in Grundzügen die tatsächlichen Spielpro-
zesse beachten. Denn nur hier zeigt sich, was Computerspielgewalt in der jewei-
ligen Situation ist.
Inwiefern das dadurch generierte Wissen wertende Urteile erlaubt, ist eine
schwierige Frage. Für manche LeserInnen mag sich während der Lektüre der vor-
liegenden Studie die Frage gestellt haben, wie ich als Forschender, der sich meh-
rere Jahre mit Computerspielgewalt beschäftigt hat, die entsprechenden Spielpro-
zesse moralisch und auch im Hinblick auf pädagogische Fragen bewerten würde.
Selbst die in akademisch-neutraler Distanzierung geübten ErstleserInnen der
Studie kommentierten die beschriebenen Spielprozesse mitunter durch Adjektive
wie „krass“ oder „erschreckend“. Es scheint, dass eine Auseinandersetzung mit
Computerspielgewalt auf die eine oder andere Weise zur wertenden Positionie-
rung drängt. Dennoch werde ich mich ihr entziehen, oder es zumindest weiter-
hin versuchen. Deshalb noch einmal in aller Deutlichkeit: Die vorliegende Arbeit
möchte weder das Vergnügen an Computerspielgewalt verteidigen noch darüber
in irgendeiner Weise negativ urteilen.
Ich bleibe bei dieser Haltung nicht nur aus Überzeugung von ihrem analy-
tischen Mehrwert, sondern auch aufgrund meiner eigenen emotionalen Erfah-
rungen. Auch ich selbst habe vieles von dem in der Feldforschung Erlebten als
„krass“ und „erschreckend“ empfunden, vor allem dann, wenn ich eine kritisch-
reflektierende Außenperspektive einnahm und mir vergegenwärtigte, aus wel-
chen Bezügen zu faktischer physischer Gewalt die entsprechenden Erfahrungen
resultierten. Zugleich habe ich durch meine Teilnahme aber auch gelernt, wie-
viel Vergnügen man an Computerspielgewalt haben kann, wenn man ‚die Moral‘
beiseite lässt. Ich bin der festen Überzeugung, dass es den meisten Computer-
spielern ähnlich geht, außer dass sie sich seltener mit jener Außenperspektive
konfrontieren. Sie können sehr wohl die Vorbehalte gegenüber ihrem Hobby
nachvollziehen. Doch der alles entscheidende Faktor ist letztlich, dass Compu-
terspielgewalt für viele Menschen als Vergnügen einfach zu gut funktioniert, als
dass sie dieses Potenzial ungenutzt lassen möchten.
Mit diesem Argument mag so mancher unzufrieden sein. Doch ich verstehe
diese Feststellung nicht als Ausweichmanöver vor einer kritisch-wertenden De-
batte, sondern vielmehr als einen Anfang, um sie differenzierter zu führen. Zu
dieser Art einer kritischen Debatte könnte dann auch die vorliegende Studie einen
Beitrag leisten, auch wenn sie selbst weder positiv noch negativ wertet, und zwar
in zweierlei Hinsicht.
Erstens: Indem sie zeigt, wie der spielerische Umgang mit computervermit-
telten Repräsentationen physischer Gewalt Vergnügen macht, demonstriert die
Studie das einzigartige Emotionspotenzial ludisch-virtueller Gewalt. Was macht
diese Einzigarktigkeit aus? Mehrere Antworten auf diese Frage sind nötig. Der
wichtigste Faktor sind sicherlich die Eigenschaften faktischer physischer Gewalt.
Diese ist erstens ein Prozess, in dem etwas beschädigt oder zerstört wird. Insofern
Gewalt im Computerspiel
Facetten eines Vergnügens
- Titel
- Gewalt im Computerspiel
- Untertitel
- Facetten eines Vergnügens
- Autor
- Christoph Bareither
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3559-5
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 370
- Schlagwörter
- Gewalt, Videospiele, Mediensoziologie, Computerspiel, Kulturanthropologie
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 7
- 2. Theorie und Methode 15
- 3. Virtuell-körperlich 93
- 4. Kompetitiv und kooperativ 199
- 5. Dramatisch und deviant 247
- 6. Ambivalent 297
- 7. Zusammenfassung und Ausblick 321
- Literatur und Anhang 333
- Literatur 333
- Verzeichnis der zitierten Computerspielzeitschriftenbeiträge 353
- Verzeichnis der zitierten YouTube-Videos 359
- Verzeichnis der geführten Interviews 364