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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
Seite - 28 -
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| Rahmenbedingungen28 Drittens beschränkte sich das kriegseuphorische Stimmen- und Stimmungsge- flecht auf den Mittelstand (Kleinbürgertum) und auf das akademische Milieu der kriegführenden Staaten (=  Berufs- und Ausbildungsfaktor). Für die Intellektuel- len unabhängig von ihrem Alter, ihrem Geschlecht oder ihrer Konfession war der „Hurrapatriotismus“ nahezu handlungsbestimmend.62 Ferner zeigten sich viele Gymnasiasten vom Krieg „beeindruckt“ – zumindest anfänglich. Das Wissen dar- über besteht seit Langem, nur dürfen die Einstellungen dieser – wenngleich ebenso vielschichtigen, so doch quantitativ marginal ausfallenden – Gruppe nicht verallge- meinert werden. Stattdessen gilt es provisorisch zwischen Hegemonie und Demos- kopie (bzw. Demografie) zu unterscheiden, sodass die Gefahr einer unschlüssigen Generalisierung einigermaßen im Zaum gehalten werden kann. In der städtischen Arbeiterschaft (exklusive der hohen Parteifunktionäre, darunter einiger Frauen) herrschten mehr Erwartungsängste als klassisch kriegseuphorische Ansätze vor. Und diese Gruppe stellte zusammen mit der Landbevölkerung die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung (in allen Kriegsstaaten) dar. Viertens war das kriegseuphorische Stimmen- und Stimmungsgeflecht in der Regel bei Männern höher als bei Frauen (=  geschlechtsspezifischer Faktor). Beson- ders ärmere Frauen, ältere Frauen, arbeitslose Frauen, schwangere Frauen sowie Frauen auf dem Land zeigten sich kaum bis gar nicht erfreut über den Kriegs- beginn. Bäuerinnen beispielsweise, deren Männer vielfach einrücken mussten, verspürten in einer Zeit, als die Ernte im Gang war oder unmittelbar bevorstand, Angst und Sorge über die Existenz des Hofes. Aufgrund der Abwesenheit der Ehe- männer lag nun der Hof ausschließlich in ihren Händen. Sie mussten sich nicht nur gegen die Knechte und Mägde behaupten, sondern sie mussten auch mit den militärischen Requisitionen zurechtkommen. Insbesondere das Abgeben von Tie- ren an die Armee führte oftmals zu Existenzängsten. Obendrein konnten die Bäue- rinnen nicht abschätzen, wie der vom Krieg heimkehrende Mann reagieren würde, wenn er erfahren musste, dass in seiner Abwesenheit ein Teil der Tiere oder der Ernte aus der Hand gegeben worden war (letztendlich gegeben werden musste). Nicht minder belastend war die ständige Frage, ob und, bzw. wenn ja, in welchem körperlichen Zustand der Mann zurückkommen werde. Fünftens war das kriegseuphorische Stimmen- und Stimmungsgeflecht bei jun- gen Männern und jungen Frauen ungleich höher bzw. lauter als bei älteren Per- sonen (=  generativer Faktor). Es sei denn, es handelte sich um Personen aus dem akademischen Milieu, wie zum Beispiel Universitätsprofessoren und Universitäts- 62 Ausführlich dazu: Roshwald/Stites (1999). Für Österreich-Ungarn: Sauermann (2000).
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Titel
Graz 1914
Untertitel
Der Volkskrieg auf der Straße
Autor
Bernhard Thonhofer
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln- Weimar
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Abmessungen
17.4 x 24.5 cm
Seiten
510
Schlagwörter
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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