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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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| Rahmenbedingungen30 und von jungen, bürgerlichen Männern und Frauen getragene „Julibegeisterung“ (für einen fremden, sprich habsburgischen, Krieg) und eine im Verhältnis zur „Julibegeisterung“ geringere und ebenfalls begrenzte „Augustbegeisterung“ (für „das“ deutsche Einheitserlebnis) festgestellt werden.70 Dieser Befund deckt sich weitgehend mit den Stimmungen im gesamten Deutschland, zumal die ersten Augusttage mehr von Ernst, Entschlossenheit, Besonnenheitsbestrebungen und Unsicherheit geprägt waren als von Begeisterung im freudig jubelnden Sinne.71 Ähnliches trifft auf Großbritannien zu. Denn auch dort hob sich – wenngleich zeitversetzt – das kriegseuphorische Stimmen- und Stimmungsgeflecht vor dem eigenen Kriegseintritt (4. August) erheblich von dem danach ab.72 Für Tirol ak- zentuiert Oswald Überegger den mehrdimensionalen „Septemberschock“73 von 1914, als am Bahnhof die „Schrecken“ des Kriegs nicht mehr zu übersehen waren. Allerdings darf bei diesen regional verorteten Zeitrastern nicht vergessen werden, dass sich in ein und derselben Person mehrere Gefühlsregungen breit machen konnten. Die „Ambivalenz der Gemütslagen“74, in der entgegengesetzte Stimmun- gen nebeneinander existierten oder einander wenigstens schnell ablösen konnten, verdeutlichen ebenso die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen wie die Tatsache, dass manche, wenngleich wenige Menschen erst mit Voranschreiten der Zeit „be- geistert“ wurden. Daran zeigt sich sinnbildlich, dass nicht von einem gesellschaftli- chen Großvorrat an „Kriegsbegeisterung“, der mit der Zeit immer weniger wurde, auszugehen ist. Zutreffender ist die Einnahme einer Perspektive, die mittels einiger Faktoren das kriegseuphorische Stimmen- und Stimmungsgeflecht eingrenzt, aber die sich ebenso darüber im Klaren ist, dass im Zuge der anstrengenden Selbstmo- bilisierung und im Rahmen des „Durchhaltens“ neue, wenngleich wenige, kriegs- euphorische Momente (z.  B. in Folge von Siegesmeldungen) entstehen konnten. Nach wie vor als sehr schwierig erweist sich der Blick auf den Komplex aus Spi- ritualität, Religion und Konfession (=  konfessioneller Faktor). Es ist zwar klar, dass bestimmte Formen der Gewaltanwendung religiös legitimiert wurden (meistens rückwirkend legitimiert wurden). Die Frage, ob Gewaltaktionen auch religiös mo- tiviert waren, bleibt dagegen ungeklärt.75 Ferner ist die Frage, wie sich die Spiritua- 70 Geinitz (1998). 71 Verhey (2000), 130  f. 72 Strandmann (2011), 59. 73 Begriff nach Oswald Überegger (2002), 263. 74 Begriff nach Christian Geinitz und Uta Hinz (1997), 26. 75 Die dahintersteckende Problematik beleuchtet Matthias Pohlig in seinem Aufsatz „Religiöse Ge- walt? Begriffliche Überlegungen an Beispielen des konfessionellen Zeitalters“ (ca. 1550–1650), vgl. Pohlig (2015).
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Titel
Graz 1914
Untertitel
Der Volkskrieg auf der Straße
Autor
Bernhard Thonhofer
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln- Weimar
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Abmessungen
17.4 x 24.5 cm
Seiten
510
Schlagwörter
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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