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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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Abschiedsszenen | 201 den Frau des Kriegsmannes: Mußt dich trösten! Jetzt heißt’s stark sein! Das Mütterchen hat das richtige Wort gefunden.“338 Der abfahrende Soldat durfte dagegen nicht weinen, zumal diese Form der Trauer mit einer ungewissen Zukunft und daher mit Angst zu tun hatte. Der Sol- dat musste seine Tränen unterdrücken: „Auf dem Bahnhofe ist man Zeuge der herzzerreißendsten Szenen, die dem Manne mit den stärksten Nerven zu Herzen gehen müssen.“339 Ängste galten als „unmännlich“ und standen für „Nervosität“ respektive „Schwäche“. Wie sehr man den nicht-weinenden Soldaten von Seiten der Grazer Redaktionen einforderte, wird auch an einem dem Soldatenhumor340 zuzurechnenden Artikel ersichtlich: „In einem kleinen Ort [...  in Nordrhein-Westfalen] bringen die Landwehrfrauen mit den Kindern die einberufenen Ehemänner zur Bahn. Einer der letzteren kann beim Ab- schiede von Frau und Kind eine Träne nicht unterdrücken. Darnach die Frau: ‚Was? Du willst ein Mann sein? Zieh’ die Hose aus, dann zieh’ ich sie an!‘“341 Schlussendlich suggerierte dieser (redaktionsfremde) Artikel, dass die „Verweichli- chung“ des Manns zu einer „Vermännlichung“ der Frau führen würde. Diesbezüg- liche Ängste waren dem „nervösen Zeitalter“342 immanent und wurden während des Kriegs auf unterschiedliche Art zum Ausdruck gebracht.343 Dementsprechend gab es in der Presse Frauenwitze, deren Anzahl gegenüber denjenigen Witzen, die auf Kosten der Männer gingen, weitaus höher ausfiel. In einem dieser üblichen Frauenwitze sagte ein (deutscher) Soldat zu seiner Frau, als sie anfing zu weinen, weil er in den Krieg ziehen müsse: „Nu, heule man nicht, Alte, die kleene Erholung kannste mir schon gönnen!“344 In einem anderen Witz fragte ein Landsturmmann im Amtshaus nach, ob er einrücken müsse. Das Amt sagte ja, woraufhin der Mann erleichternd antwortete: „Gott sei Dank, jetzt komm’ ich wenigstens von meiner Alten los!“345 Der Mann sollte demnach keine Angst davor haben, wenn er in den 338 Der Abschied von den Lieben, in: Arbeiterwille, 27.7.1914, 3. 339 Das Bild am Bahnhof, in: Arbeiterwille, 27.7.1914 (Abendausgabe), 2. 340 Vgl. den Lexikonartikel „Soldatenhumor“ von Aribert Reimann in: Hirschfeld/Krumeich/Renz (22014), 845. 341 Sie will die Hose, in: Grazer Tagblatt, 17.9.1914, 14. 342 Siehe das Kapitel: Vier Leitpanoramen. 343 Siehe das Kapitel: Pfadfinder und Wandervogel. 344 Berliner Kriegshumor, in: Grazer Tagblatt, 8.9.1914, 4. 345 Steirischer Humor in ernster Zeit, in: Grazer Tagblatt, 18.8.1914 (Abendausgabe), 2.
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Titel
Graz 1914
Untertitel
Der Volkskrieg auf der Straße
Autor
Bernhard Thonhofer
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln- Weimar
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Abmessungen
17.4 x 24.5 cm
Seiten
510
Schlagwörter
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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