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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
Seite - 203 -
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Abschiedsszenen | 203 Krieg ziehen muss, weil es zu Hause bei seiner Frau noch schlimmer sei. Dass dem nicht so sein konnte, wusste jeder, bevor er noch in den Zug stieg. Dass nicht jeder Mann abfällig über seine Frau dachte, ist ebenso klar. Die publizistischen Bahn- hofsbilder gestanden den Frauen und zurückbleibenden Vätern Tränen zu, sofern diese nicht in eine irreversible Resignation und Lethargie kulminieren würden. Dass diese Pressebilder so nicht allein stehen durften, dafür sorgten jene Zusätze, die den Soldaten als „pflichtbewusst“ bzw. entschlossen beschrieben. Hinter diesen zielgerichteten Bildern steckt daher ein aus meiner Sicht allgemein verständlicher Beruhigungsappell an die gesamte „Heimatfront“. Als solcher gestand er den Le- senden zwar, dass der Krieg nicht auf die leichte Schulter genommen werde durfte, versprach aber gleichzeitig, dass, wenn alle an der „Heimatfront“ zusammenhiel- ten, alles gut gehen würde. Diese Interpretation könnte man auch auf ein anderes Bild der Kleinen Zeitung anwenden. Im Folgenden beziehe ich mich auf das im Anhang abgedruckte Titelbild der Kleinen Zeitung vom 7.  August. Die trist wirkende Szenerie auf einem (offenbar bewusst nicht näher bestimm- ten) ungarischen Bahnhof veranschaulicht meiner Ansicht nach die „Pflichterfül- lung“ in anderen Kronländern. Dieses Bild wurde dem Ernst der Lage gerecht und forcierte obendrein den in Graz herrschenden Konformitätsdruck. Das Bild zeigt ferner, dass „alle“ dem Einberufungsbefehl folgen, auch wenn es noch so schwer falle, in den (ungewollten, weil „aufgezwungenen“) „Weltenbrand“ zu ziehen. Aus der Retrospektive kann man diesem Bild allein schon deswegen keine sonderliche Verklärung unterstellen, weil die Mehrheit der (überwiegend) ländlichen Bevölke- rung Ungarns ohne Kriegsbegeisterung im freudig, jubelnden Sinne in den Krieg zog.346 Die Menschen auf dem Titelbild gleichen auch dem oft artikulierten Topos der „stillen“ und „braven“ Menschen. Beide rhetorischen Figuren umfassten so- zusagen die „kleinen“ Leute, die im Gegensatz zu den (scheinbar) manipulativen, zweckorientierten und skrupellosen Milieus nur ihrer „authentischen“ Empfin- dung folgten und so das „Richtige“ taten. Sie wurden entpersonalisiert, aber viel- fach honoriert. So gab es letzten Endes viele Artikel über „brave“ Soldaten, „brave“ Wachleute oder „brave“ Pfadfinder.347 Unter den „stillen Helden“ verstanden die bürgerlichen Redaktionen hauptsächlich die aus der Region nach Graz kommen- den Bauern, Senner, Köhler, Holzschläger, Holzknechte, Flößer, Almwirte sowie Almbauern.348 Sie seien „unverfälscht“/„authentisch“, zumal sie ohne großes Tam- 346 Mihályhegyi (1980), 293. 347 Zu den „braven und ohnehin sehr in Anspruch genommen Wachleute[n]“ vgl. Ruckerlberg, in: Grazer Vorortezeitung, 29.11.1914, 3. 348 Stille Helden, in: Tagespost, 2.8.1914, [ohne Seitenangabe]. Vgl. parallel den von Anna von Pantz (der Frau von Ferdinand Pantz, Parteiobmann der deutschnationalen Pantz-Partei) verfassten
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Titel
Graz 1914
Untertitel
Der Volkskrieg auf der Straße
Autor
Bernhard Thonhofer
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln- Weimar
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Abmessungen
17.4 x 24.5 cm
Seiten
510
Schlagwörter
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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