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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
Seite - 310 -
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| Alltag und Einheitsprüfungen310 Redaktionen die slowenischen Sokolvereine324, weil sie als Teil der „allslawischen Sokolvereine“325 angesehen wurden. Ähnlich ging die deutschnationale Presse ge- gen den polnischen Klerus (die „Popen“) vor. Am Diözesen-Konflikt zeigt sich deutlich, dass nicht einmal der Burgfrieden innerhalb der katholischen Amts- und Basiskirche frei von Problemen und Widersprüchen war. Ganz zu schweigen vom grassierenden Antisemitismus, der einen bedingungslosen Burgfrieden bereits von Beginn an verunmöglichte. Konträr zur deutschnationalen Presse, die neben ihren wohlwollenden Artikeln/Presseaussendungen (über die jüdischen Gottes- dienste, über das Einrücken jüdischer Männer oder über das neue Bethaus)326 auch judenfeindliche Artikel brachte („Börsenjuden“327), vermied es die katholische Amtskirche in den ersten Kriegsmonaten zur Gänze, antisemitische Grundhaltun- gen zu äußern. Es ist unbestritten, dass die einzelnen Vorsteher der Konfessionen in Graz den Krieg legitimierten und den Staat sowie das Militär unterstützten. Diese Tatsache führte aber zu keinem Ende des tief verankerten Antisemitismus in Graz.328 Der im Juli vorherrschende Antisemitismus war wegen der Pressepole- 324 Die slowenischen Sokoln und der Krieg, in: Grazer Tagblatt, 1.8.1914 (Abendausgabe), 3. 325 Die allslawischen Sokolvereine, in: Grazer Tagblatt, 26.10.1914 (Abendausgabe), 6. 326 Israelitischer Gottesdienst, in: Grazer Tagblatt, 4.8.1914, 4; Aufruf der jüdischnationalen Orga- nisation, in: Grazer Mittags-Zeitung, 26.8.1914, 2; Einweihung eines neuen israel. Bethauses, in: Grazer Mittags-Zeitung, 14.12.1914, 3. 327 Stammgast, in: Grazer Vorortezeitung, 26.7.1914, 2: „Jetzt ist es auf einmal so heiß, daß net ein- mal die Zeitungsenten mehr ordentlich schwimmen können und die Entennachricht von einem österreichisch-serbischen Kriege vom Publikum net geglaubt wird. Dieser Krieg wird vorläufig nur von den Börsenjuden ausgefochten, wobei es aber auch Gefallene g’nua gibt, nämlich solche, die fallieren. Blaue Bohnen fliegen dort freilich net durch die Luft, wohl aber blaue Scheine und zwar gleich mit fünfundzwanzig Millionen an einem Tage, die verloren sein gangen und Löcher in die verschiedenen Geldbeutel g’rissen hab’n.“ 328 In diesem Zusammenhang sei exemplarisch auf einen Leitartikel aus dem Jahr 1911 verwiesen, in dem das Tagblatt für einen „praktische[n] Antisemitismus“ plädierte: „Nein, nicht blinder Judenhaß, nicht rein negatives Abscheugefühl darf uns den Weg zeigen, den wir im Kampfe um die Reinhaltung unserer Kultur einzuschlagen haben. Uns führe die ehrliche Liebe zu unserem Volke, die positive Betätigung unserer Rasseneigenschaften. [...] Kurz und gut, was uns nottut, ist der praktische Antisemitismus. Mit den blöden Witzeleien über Krummnasen und Plattfüße, mit den gelegentlichen Judenprügeleien und dem ewigen Geraunze über die Allmacht des ‚aus- erwählten Volkes‘ wird nie etwas erreicht werden. Schneiden wir doch endlich das Tischtuch zwischen uns und den Semiten und Philosemiten entzwei, wählen wir keinen Juden oder Ju- denfreund mehr in ein öffentliches Amt, kaufen wir in Zukunft in keinem jüdischen Warenhaus und Ramschbazar, kaufen wir nur bei Ariern, beziehen wir nur völkische Bücher und Blätter, besuchen wir ausschließlich gut deutsche Vorstellungen aller Art – mit einem Wort, treiben wir aufrichtig arische Politik, draußen und daheim, und der deutsche Mittelstand wird sich erfolg- reich aus den Umarmungen des Orientalismus losmachen.“ Aus: Praktischer Antisemitismus, in: Grazer Tagblatt, 19.7.1911, 1. Zum Hintergrund ausführlich: Lamprecht (2007).
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Titel
Graz 1914
Untertitel
Der Volkskrieg auf der Straße
Autor
Bernhard Thonhofer
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln- Weimar
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Abmessungen
17.4 x 24.5 cm
Seiten
510
Schlagwörter
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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