Seite - 326 - in Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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| Alltag und
Einheitsprüfungen326
chen Aktion beitragen. Seriöse Mitteilungen in der angedeuteten Richtung können gege-
benenfalls an das im Kriegsministerium amtierende Kriegsüberwachungsamt gerichtet
werden.“399
Auch das Korpskommando ersuchte die Bevölkerung, „verdächtige Personen
rechtzeitig unschädlich zu machen.“400 Ob das Militär in diesen Aussendungen
bloß warnte oder ob es hier schon zur Gewalt aufrief, bleibt fraglich. Auf jeden
Fall ängstigten diese Geschichten und Presseaussendungen die Grazerinnen und
Grazer zutiefst. Die Presse beließ es ebenfalls nicht bei generellen Warnungen vor
etwaigen Spionen und „Serbenfreunden“. Sie schilderte in der neuen Tagesrubrik
„Verhaftung von Serbenfreunden“ bzw. „Verhaftete Serben- und Russenfreunde“
regelmäßig konkrete Fälle.401 Man nannte die Namen der Spione und „Serben-
freunde“, ihr Alter, ihre Berufe sowie ihre Wohnadressen. Auch aus den Gerichts-
saal-Rubriken erfuhren die Grazerinnen und Grazer, wie sehr die Steiermark von
„subversiven“ Menschen infiltriert sei. Pausenlos las man von verhaften Spionen
oder von Menschen, die tatsächlich den Kaiser oder ein Mitglied seiner Familie
öffentlich diskreditierten und sich so vor dem geltenden Gesetz schuldig mach-
ten.402 Darunter befanden sich beispielsweise Hilfsarbeiter, Zimmerputzer, Seiler-
gehilfen, Pfründer, Tagelöhner sowie Knechte.403 „Angesehenere“ Berufe wurden
mit Ausnahme des Pfarrers, des Lehrers oder der Lehrerin nicht genannt. Die
399 An Jedermann!, in: Grazer Tagblatt, 3.8.1914 (Abendausgabe), 6. Vgl. diese Aussendung auch in:
Gegen die den Staat gefährdenden Umtriebe, in: Arbeiterwille, 3.8.1914 (Abendausgabe), 3. Zu-
dem: Meldungen des k. k. Telegraphen-Korrespondenz-Bureaus, in: Wiener Zeitung, 3.8.1914, 3.
400 Mitwirkung der Bevölkerung am Sicherungsdienste, in: Arbeiterwille, 5.8.1914 (Abendausgabe),
3. Vgl. daneben: Mitwirkung der Bevölkerung am Sicherheitsdienste, in: Grazer Vorortezeitung,
9.8.1914, 5.
401 Verhaftung von Serbenfreunden, in: Grazer Volksblatt, 6.8.1914 (12-Uhr-Ausgabe), 3; Verhaftete
Serben- und Russenfreunde, in: Grazer Tagblatt, 2.9.1914 (Abendausgabe), 2.
402 Ausführlich zu den politischen Delikten (Hochverrat, Majestätsbeleidigung, Beleidigung der
Mitglieder des Kaiserlichen Hauses, Störung der öffentlichen Ruhe bzw. Aufreizung, Spionage,
Gutheißung einer mit Strafe bedrohten Handlung, Verbreitung falscher beunruhigender Ge-
rüchte oder Vorhersagungen etc.) in: Moll (2007a), 172–207, 251–300; (2002a); (2002b) und
(2000b).
403 Einige Artikel zu diesem Thema: Wegen Gutheißung des Sarajevoer Attentates, in: Grazer
Montags-Zeitung, 6.7.1914, [ohne Seitenangabe]; Verhaftung eines Serbenfreundes, in: Grazer
Volksblatt, 27.7.1914 (Sonderausgabe), 5; Neuerliche Verhaftung von Serbenfreunden, in: Grazer
Tagblatt, 31.7.1914 (Abendausgabe), 3; Verhaftung eines Serbenfreundes, in: Grazer Volksblatt,
1.8.1914, 4 [Vgl. parallel: Verhaftung eines Serbenfreundes, in: Kleine Zeitung, 2.8.1914, 6]; Gut-
heißung des Verbrechens an dem Thronfolgerpaar, in: Arbeiterwille, 11.8.1914, 5; Kein Freund
des Vaterlandes, in: Grazer Volksblatt, 5.9.1914 (12-Uhr-Ausgabe), 3.
Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Titel
- Graz 1914
- Untertitel
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Autor
- Bernhard Thonhofer
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln- Weimar
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 510
- Schlagwörter
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453