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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
Seite - 429 -
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Grazer Einheitsbildung | 429 – in Tirol gab es „patriotische“ Straßenumzüge. In Graz herrschte ein Andrang auf die Geldinstitute – in Wien herrschte ein Andrang auf die Geldinstitute. Derartige Parallelisierungen gab es in den Zeitungen viele und sie überdeckten die (ebenfalls veröffentlichten)25 Unterschiede, darunter einige Pseudounterschiede, massiv. Als Grundlage für die von Tag zu Tag aufs Neue sich formierende Einheits- bildung fungierte unverkennbar die neue außen- sowie innenpolitische Lage, die diese Bildung mehr oder weniger als ausweglose bzw. alternativlose Notwendig- keit erscheinen ließ.26 An dieser Gruppenbildung waren nachweislich viele Gra- zerinnen und Grazer tatkräftig beteiligt (Die „Einheit“ existierte nicht hinter den Rücken der Menschen). Aus der Retrospektive lässt sich erkennen, dass die Ein- heitsbildung in Graz eine „gedachte“ und „gemachte“ Gruppenbildung war, die via Aus- und Eingrenzung zur Stärke fand.27 Die Eigenschaftswörter „gedacht“ (bzw. vorgestellt) und „gemacht“ sind hierbei sowohl im positiven als auch im negativen Sinne zu verstehen. Unter „positiv“ bezeichne ich hier alle jene Arbeiten für das Zustandekommen der „Einheit“, die von den Grazerinnen und Grazern aus Liebe, Freude, Zuneigung und Zustimmung erfolgten. Mit „negativ“ meine ich hingegen alle jene Einheitsarbeiten, die aufgrund von Zwang, Konformität, Selbstverpflich- tung, Angst, Selbstkontrolle oder Überwachung vonstattengingen. Im Grunde genommen musste daher der Aufbau der „Einheit“ sowohl im Kopf als auch auf der Straße permanent erfolgen. Das gelang letzten Endes auch, zumal der „Grazer“ Burgfriedensprozess auf der Straße zu einer wirkmächtigen Grup- penbildung wurde. Dennoch führten die zahllosen Einheitsarbeiten der Grazerin- nen und Grazer zu keiner Professionalisierung oder steigenden Popularisierung 25 Die Handhabung der Präventivzensur wäre hierfür ein Beispiel. 26 Dieser Ansatz ist nicht neu. Jeffrey Verhey und andere Forscher und Forscherinnen der lose abgesteckten „Burgfriedensforschung“ verstehen z.  B. in wohldistanzierter Anlehnung an den Wirtschafts- und Sozialwissenschafter Emil Lederer (1882–1939) den deutschen Burgfrieden als eine „Not- oder Solidaritätsgemeinschaft“, vgl. z.  B. den Lexikonartikel „Burgfrieden“ von Jeffrey Verhey in: Hirschfeld/Krumeich/Renz (22014), 400–402, 401. Emil Lederer veröffentlichte 1915 die Abhandlung „Zur Soziologie des Weltkriegs“ in der Zeitschrift „Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik“. Dort schrieb er, dass der Krieg vorangegangene Konflikte innerhalb der ein- zelnen kriegführenden Staaten suspendierte (aber nicht auflöste), was wiederum zur Formierung einer „Gemeinschaft“ führte. Ihre Formierung erfolgte schnell und aus der Not heraus. Ebenso haben, so Lederer, der gemeinsame Schicksalsglaube und die gegenseitigen intensiven Abhän- gigkeiten (innerhalb der „Kriegsgesellschaft“) zur Bildung dieser „Gemeinschaft“ beigetragen. Mehrere seiner theoretisch hoch reflektierten Texte wurden 1979 von Jürgen Kocka erneut her- ausgegeben, vgl. den Text „Zur Soziologie des Weltkriegs“ in: Lederer (1979). 27 Es soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass mich Edward P.  Thompsons Buch „The Making of the English Working Class“ (1963) massiv beeinflusste und beeindruckte [Nicht im Literaturverzeichnis angeführt].
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Titel
Graz 1914
Untertitel
Der Volkskrieg auf der Straße
Autor
Bernhard Thonhofer
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln- Weimar
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Abmessungen
17.4 x 24.5 cm
Seiten
510
Schlagwörter
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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