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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
Seite - 430 -
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| Schlussbetrachtung430 des Burgfriedens. Ebenso wenig konnte er sich finalisieren. Der Einheitsprozess blieb trotz seiner Wirkmächtigkeit im Alltag zerklüftet. Dem war so, weil es keine einheitliche „Burgfriedensdefinition“ gab. Aus dieser Perspektive gestaltete sich die Grazer Einheitsbildung auch nicht als ein als „natürlich“ oder „göttlich“ er- achteter Ganzheitsentwurf, wie beispielsweise „der“ Katholizismus, „der“ Sozia- lismus, „der“ Liberalismus oder „der“ Nationalismus. Das als kriegswichtig erach- tete Aufbauen der „Einheit“ stellte vielmehr eine Reaktion auf den Krieg (bzw. auf die russische Generalmobilmachung) selbst dar. Diese kriegsstützenden und kriegsnotwendigen Einheitsarbeiten hatten dabei nichts mit einer leichtfertigen Kriegsaffirmation zu tun. In Wahrheit entsprachen sie dem Ernst der Lage.28 Es galt, vom damaligen Standpunkt aus gesehen, die „Heimat“ (die Familie) und das „Vaterland“ zu beschützen sowie den Fortbestand der Monarchie zu gewährleis- ten. Und für ein siegreiches Beenden dieses „Verteidigungskriegs“ bedurfte es aus damaliger Sicht eben nicht nur der „kriegsentscheidenden“ Front, sondern auch der kriegswichtigen Arbeiten zu Hause. Die Trennung zwischen einer „kriegsent- scheidenden“ Front und einer (nur) kriegswichtigen „Heimatfront“ war im ersten Kriegsjahr populär. Heutzutage gilt diese Ansicht als überholt. Zu den neu auferlegten Arbeiten der Grazerinnen und Grazer zählte gewiß der Aufbau einer Einheitsfront. Und dieser Kriegseinsatz wurde nicht nur mehrfach erwartet und eingefordert, sondern augenfällig unternommen. Entscheidend ist hierbei die Frage, wie diese Form des Kriegseinsatzes erfolgte. Zweifellos führten die unzähligen Einheitsarbeiten schnell zu einer leistungsstarken Gruppenbildung, die als solche legitimes (und zu unterstützendes) sowie illegitimes (und zu unter- bindendes) Handeln täglich aufs Neue definierte. Was noch gesagt werden durfte und wohin man sich noch bewegen durfte, bestimmte für gewöhnlich nur mehr sie. Genauer gesagt bestimmten es die jeweiligen am Aufbau der „Einheit“ betei- ligten Menschen. Jeder und jede von ihnen hatte eine gewisse (interessengeleitete) Vorstellung darüber, wie man sich nun in Graz zu verhalten habe bzw. was man alles für den Sieg zu tun habe. Und diese individuellen „Sollwerte“/„Musswerte“ führten zu enormen Spannungen innerhalb der Grazer Bevölkerung. Das wirft die Frage auf, wer nun eigentlich diese Erwartungen und Forderungen an die „Einheit“ stellte. Im Wesentlichen kann vorausgesetzt werden, dass jeder einzelne Grazer und jede einzelne Grazerin Vorstellungen darüber hatte, wie sich der Burgfrieden gestalten sollte. Gemäß der letzten Volkszählung vor Ausbruch des Kriegs wären das genau 151.781 Menschen gewesen, die – pointiert ausgedrückt – 1914 zu potentiellen Einheitsakteuren und Einheitsakteurinnen werden konnten. 28 Vgl. dazu auch: Hirschfeld/Krumeich (2010).
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Titel
Graz 1914
Untertitel
Der Volkskrieg auf der Straße
Autor
Bernhard Thonhofer
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien - Köln- Weimar
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Abmessungen
17.4 x 24.5 cm
Seiten
510
Schlagwörter
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Kategorien
Geschichte Vor 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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