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Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Das Zentrum etabliert sich 71 Während die drängende Frage eines validen internationalen Standards also im Sinne der Radiumlobby geklärt wurde, zerschlugen sich die Hoffnungen, im selben Atemzug eine international verbindliche radioaktive Nomenklatur festzulegen.196 Auch in der Folgezeit konnte sich die Radiumstandard-Kommission als richtungweisende Institu- tion in Nomenklaturfragen nicht etablieren. Ihre Mitglieder waren selbst uneins, ob es zu diesem Zeitpunkt (1910) sinnvoll und notwendig sei, die Bezeichnung und Schreibweise radioaktiver Zerfallsprozesse zu vereinheitlichen.197 Der Kommission gelang es lediglich, eine Einheit für die Radioaktivitätsmessung zu etablieren. In der Wahl der Einheit Curie kamen ihre Mitglieder dem Drängen von französischer Seite nach, die Entdecker des Radiums symbolisch zu ehren.198 Ein Curie (1 Ci) entsprach fortan dem Wert der Radiumemanation aus einem Gramm Radium, dessen Atomge- wicht 226 der Prager Radiochemiker Otto Hönigschmid exakt bestimmt hatte. Die Wahl eben dieser Einheit machte deutlich, wie sehr die Radium besitzenden Nationen Großbritannien, Frankreich sowie Österreich-Ungarn die Regeln des Spiels bestimm- ten. Der Referenzwert von einem Gramm Radium war riesig, bedenkt man den enor- men Wert des Radiums zur damaligen Zeit.199 Kaum ein wissenschaftliches Laborato- rium verfügte über eine entsprechend große Menge reinen Radiums. In der Darstel- lung des spanischen Wissenschaftshistorikers Néstor Herran spiegelte sich in der Ein- heit die Hoffnung Marie Curies wider, dass der Radiummarkt wachsen und dem Ra- dium auf lange Sicht so zu seiner Berechtigung als Referenzmaßstab verhelfen würde.200 Die Macht der Radiumlobby drückte sich nicht nur darin aus, dass sie das Radium gegen den Widerstand anderer Gruppen als Referenzgröße durchzusetzen wusste. Sie zeigte sich auch in der personellen Besetzung der Internationalen Radiumstandard- Kommission. Ernest Rutherford, Marie Curie und Stefan Meyer repräsentierten die drei wichtigsten Radium besitzenden Zentren der Radioaktivitätsforschung.201 Ruther- 196 Hahn hatte dem skeptischen Rutherford vorgeschlagen, im Vorfeld der Konferenz zu einer privaten Ei- nigung zwischen dem Nomenklatur-Komitee der DPG und den britischen Radioaktivisten zu gelangen. Vgl. CUL, RC, Add 7653, H 42 : Hahn an Rutherford vom 19.6.1910. 197 Vgl. CUL, RC, Add 7653, H 64 : Rutherford an Hahn vom 19.11.1913. 198 Siehe zu den Überlegungen, die hinter der Wahl der Bezeichnung Curie für die neue Maßeinheit stan- den, anstelle der ebenfalls diskutierten Bezeichnung Rutherford, Coursey/Collé/Coursey 2002, 6. Der französische Vorschlag wurde von den US-amerikanischen Radioaktivisten unterstützt. Vgl. CUL, RC, Add 7653, B 208 : Boltwood an Rutherford vom 2.11.1910. 199 Vgl. Boudia 2001, 153–154. 1910 entsprach das Wertverhältnis von einem Gramm Radium 200.000 Gramm Gold. Vgl. Fattinger 1937, 13. 200 Herran 2008b, 333. Siehe auch CUL, RC, Add 7653, M 103 : Rutherford an Meyer vom 8.9.1910. 201 Neben Rutherford, Curie und Meyer gehörten folgende Radioaktivisten der Kommission an : André Debierne (Frankreich), Frederick Soddy (Großbritannien), Otto Hahn (Deutsches Reich), Hans Geitel (Deutsches Reich), Egon von Schweidler (Österreich-Ungarn), Arthur S.  Eve (Kanada) sowie Bertram Boltwood (USA).
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Untertitel
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Autor
Silke Fengler
Herausgeber
Carola Sachse
Mitchell G. Ash
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-79512-4
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
380
Schlagwörter
Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
Kategorien
Naturwissenschaften Chemie
Naturwissenschaften Physik

Inhaltsverzeichnis

  1. 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
    1. 1.1 Internationalisierungsprozesse in der Radioaktivitäts- und Kernforschung : Eine Skizze 9
    2. 1.2 Begriffsklärung und Fragestellungen 10
      1. 1.2.2 Ressourcenausstattung und Ressourcenverteilung 12
      2. 1.2.3 Zentrum und Peripherie 14
    3. 1.3 Forschungsstand 16
    4. 1.4 Quellenlage 24
    5. 1.5 Aufbau der Arbeit 26
  2. 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
    1. 2.1 Österreich-Ungarn in der internationalen Radiumökonomie 31
    2. 2.2 Das regionale Netzwerk formiert sich 40
      1. 2.2.1 Anfänge der Radioaktivitätsforschung im Kontext des Exner-Kreises 40
      2. 2.2.2 Kooperationsformen der Mitglieder 45
      3. 2.2.3 Wissenstransfer vom Zentrum in die Peripherie 46
    3. 2.3 Das Zentrum formiert sich 49
      1. 2.3.1 Gründung des Instituts für Radiumforschung 49
      2. 2.3.2 Verbindungen zur böhmischen Radiumindustrie 54
      3. 2.3.3 Verleih radioaktiver Substanzen durch die Akademie 57
      4. 2.3.4 Bereitstellung radioaktiver Präparate 61
    4. 2.4 Das Zentrum etabliert sich 67
      1. 2.4.1 Wien als metrologisches Zentrum der Monarchie 67
      2. 2.4.2 Die Internationale Radiumstandard-Kommission 69
      3. 2.4.3 Das Scheitern der Nomenklaturfrage im Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn 79
    5. 2.5 Die Gefährdung des Zentrums 81
      1. 2.5.1 Die Radioaktivistengemeinschaft und der Erste Weltkrieg 81
      2. 2.5.2 Österreich-Ungarn in der neuen internationalen Radiumökonomie 88
    6. 2.6 Der Radiumreichtum : ein Wiener Monopol 91
  3. 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
    1. 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
    2. 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
      1. 3.2.1 Der Exner-Kreis und die Physik im Nachkriegsösterreich 97
      2. 3.2.2 Der Exner-Kreis zwischen Kooperation und Konkurrenz 107
    3. 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
      1. 3.3.1 Wiederaufleben des internationalen Netzwerks 109
      2. 3.3.2 Wiederaufnahme des internationalen Präparateverleihs 117
      3. 3.3.3 »Unter keinen Bedingungen verbandelt« : Kooperationen mit der Industrie 122
      4. 3.3.4 Rückkehr auf die internationale Bühne 131
    4. 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
      1. 3.4.1 Stipendien für Zentrum und Peripherie 140
      2. 3.4.2 Atomzertrümmerungsforschung zwischen Kooperation und Konkurrenz 147
    5. 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
  4. 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
    1. 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
      1. 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
      2. 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
      3. 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
      4. 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
      5. 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
      6. 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
    2. 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
      1. 4.2.1 Abzug ausländischen Kapitals 206
      2. 4.2.2 Marginalisierung im deutschsprachigen Wissenschaftskontext 218
    3. 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
      1. 4.3.1 Sparmaßnahmen 226
      2. 4.3.2 Der Streit um die Physikalischen Institute 228
      3. 4.3.3 Pläne für einen Teilchenbeschleuniger in Wien 231
    4. 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
  5. 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
    1. 5.1 Das regionale Netzwerk wird zerstört 237
      1. 5.1.1 Die Auflösung des Exner-Kreises 237
      2. 5.1.2 Die Internationale Radiumstandard-Kommission im ZweitenWeltkrieg 241
    2. 5.2 Auf der Suche nach neuen Organisationsformen 252
      1. 5.2.1 Die Neuordnung der Physikalischen und Chemischen Institute 252
      2. 5.2.2 Die Suche nach neuen industriell-wissenschaftlichen Netzwerken 260
    3. 5.3 An der Peripherie des neuen Netzwerks 264
      1. 5.3.1 Forschungsarbeiten im Auftrag des Militärs 265
      2. 5.3.2 Neue Pläne zum Bau eines Teilchenbeschleunigers in Wien 270
      3. 5.3.3 Der problematische Radiumnachschub 276
      4. 5.3.4 Kernforschung für den Uranverein 282
      5. 5.3.5 Geophysik im Kontext des SS-Ahnenerbes 300
    4. 5.4 Das Kriegsende 304
    5. 5.5 Den Krieg für die Wissenschaft nutzbar machen 305
  6. 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
    1. 6.1 Alliierte Geheimdienste auf den Spuren der Kernforschung in Österreich 308
    2. 6.2 Die Alliierten als Arbeitgeber 312
    3. 6.3 Kernforscher aus Österreich : Keine Munition im »Arsenal des Wissens« 320
  7. 7. Schluss 322
  8. 8. Anhang 334
  9. Abkürzungsverzeichnis 334
  10. Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
  11. Literaturverzeichnis 340
  12. Personenregister 369
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