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Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung,
1899–191878
dass »[…] im Falle von Differenzen mit den Abnehmern dessen Autorität auf dem
Gebiete der Radiumforschung die Gewähr bieten würde, alle Differenzen leicht berei-
nigen zu können«.230 Das neu gewonnene Renommee ließ sich das Institut schlussend-
lich auch bezahlen, wobei die Eichtaxen dem Institutsbudget unmittelbar zugute ka-
men.
Im Prinzip konnte jede Messstation, die über einen sekundären Standard verfügte,
metrologische Dienstleistungen anbieten. Doch scheint dies nicht dazu geführt zu
haben, dass sich die einzelnen Stationen preislich unterboten, um Kunden zu gewin-
nen. Absprachen zwischen Wien und Paris über die Höhe der Eichtaxen sind erst für
die Zwischenkriegszeit belegt.231 Im deutschsprachigen Raum verständigte man sich
offenbar schon vor dem Krieg über die Preisgestaltung. Dafür spricht, dass die PTR
und das Institut für Radiumforschung vor 1914 Eichtaxen in ähnlicher Höhe erhoben.
Die PTR berechnete beispielsweise für die Radiumgehaltsbestimmung von Lösungen
50 Mark, während die gleiche Dienstleistung in Wien mit 50 Kronen (in Goldstandard-
relation) zu Buche schlug.232 Der Preisabsprachen zum Trotz hielten die einzelnen
Messstationen an unterschiedlichen Methoden fest, nach denen die Eichung erfolgte.
Meyer warb dementsprechend bei seinem schwedischen Kollegen Theodor Svedberg,
dass der Radiumgehalt der Proben, die Svedberg nach Wien geschickt hatte, am Insti-
tut für Radiumforschung nach
»unserer galvanometrischen Methode im Kugelcondensator und nach einer der Curie’schen
Plattencondensator ähnlichen Form [bestimmt werde]. […] Wir ziehen der zweifellos vor-
trefflichen und sehr eleganten Methode von Rutherford-Chadwick diejenigen vor, bei denen
die zu vergleichenden Präparate am gleichen Ort bleiben, da unter Umständen die secun-
dären Strahlen der Umgebung für die Substanzen in verschiedener Distanz von der Absorp-
tionskammer zu berücksichtigen sind.«233
Die Internationale Radiumstandard-Kommission war ihrem Ziel, das radioaktive
Messwesen länderübergreifend zu vereinheitlichen, vor 1914 einen großen Schritt nä-
her gekommen. Dies nährte die Hoffnung, in einer konzertierten Aktion nun auch des
Wirrwarrs an Bezeichnungen Herr zu werden, die in der internationalen Radioaktivis-
tengemeinschaft bezüglich radioaktiver Zerfallsprozesse kursierten. Drei Jahre nach-
230 ÖStA, AVA, k. k. Ministerium für öffentliche Arbeiten, XVII 1918, F. 845 (309 a-) : k. k. Montan-Ver-
kaufsamt an k. k. Ministerium für öffentliche Arbeiten vom 27.6.1918. Die Eichung der zum Verkauf
stehenden Radiumpräparate übernahm Victor Hess, zu jener Zeit Assistent am Institut.
231 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 22, Fiche 350 : Curie an Meyer vom 9.1.1925.
232 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 22, Fiche 350 : Meyer an Curie vom 14.10.1924.
233 AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 19, Fiche 314 : Meyer an Svedberg vom 12.3.1913.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369