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Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung,
1899–191880
genheit, um den maßgeblichen Wiener Radioaktivisten symbolisch eine Abfuhr zu
erteilen. So wurden die im Umkreis der Universität Wien tätigen deutschsprachigen
Radioaktivisten zu dem Kongress nicht eingeladen, während ihre Kollegen von der TH
Wien zwar eingeladen waren, die Einladung aber aus Solidarität mit ihren Universitäts-
kollegen mehrheitlich ausschlugen. Meyer selbst versprach sich von der Veranstaltung
in Prag nicht viel :
»Über die Qualität der Festredner, die laut Zeitung [W]. Hies [Vorstand der radiologischen
Abteilung der Berliner Charité, S. F.], [Wilhelm] Ostwald und Frau Curie sein sollen, sind
nicht viele Worte zu verlieren. […] Dass Frau Curie wirklich kommen soll, erscheint zwar
mit Rücksicht auf ihre Gesundheit sonderbar, aber ist doch möglich, da sie im Sommer meist
in Polen haust und zuweilen ihr slavisches Herz entdeckt. [Josef] Tuma tut mir leid. Aber
das ist offenbar so die Methodik dieses Congresses : Vorträge auf Befehl von Ministern, Statt-
haltern und Rectoren.«240
Und er konnte sich einen Seitenhieb auf die dort anwesenden Ärzte nicht verkneifen :
»Ich fürchte nur, dass die ›sachverständigen‹ Medici dieses Congresses gerade bezüglich der
Meßmethoden nur confus machende Beschlüsse fassen können, während gerade jetzt alles
hübsch sauber in Ordnung gebracht ist.«241
Da große Teile der deutschen und österreichischen Radioaktivistenwelt den Kongress
boykottierten, sahen sich die Veranstalter genötigt, das Programm zu ändern. Als Frei-
zeitattraktion war ursprünglich geplant, mit den Gästen das Bergwerk und die Bäder
St. Joachimsthals zu besuchen und dann nach Wien weiter zu fahren, um das Institut
für Radiumforschung zu besichtigen. Da dies »seitens der Institutsleitung (Hofr. Ex-
ner) [ohne weitere Begründung, S.
F.] abgelehnt« wurde, fand ein solcher Ausflug nicht
statt.242 Die im Oktober 1912 in Prag unter Leitung des Prorektors der Tschechischen
Technischen Hochschule in Prag, Josef Stoklasa, stattfindende Tagung entwickelte sich
letztlich zu einer Demonstrationsveranstaltung, in der die tschechischsprachigen Ra-
diologen und Radioaktivisten, darunter der »Vater der tschechischen Radiologen«
Rudolf Jedlička und der Generalverwalter der St. Joachimsthaler Minen, Josef Stěp,
(1908) und Barcelona (1910) stattgefunden. Der letzte Vorkriegs-Kongress tagte 1914 in London. Vgl.
Těšínská 2010, 363.
240 Josef Tuma war der älteste unter den Exner-Schülern und wirkte seit 1907 als Ordinarius für Allgemeine
Physik an der Deutschen Technischen Hochschule in Prag. Vgl. Karlik/Schmid 1982, 141.
241 AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 14, Fiche 218 : Meyer an Hönigschmid vom 21.6.1912.
242 Těšínská 2010, 362.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369