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Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung,
1899–191884
klaturvorschläge zu Beginn des Jahres 1918 in der Physikalischen Zeitschrift.259 Sie
wurden im deutschsprachigen Raum schließlich allgemein anerkannt und übernom-
men.260
Während die Nomenklatur im deutschsprachigen Raum maßgeblich durch österrei-
chische Initiative vereinheitlicht wurde, waren Radioaktivisten aus Österreich an ande-
rer Stelle weniger erfolgreich darin, in radioaktiven Fragen den Ton anzugeben. Eine
Möglichkeit Einfluss zu nehmen bestand darin, wichtige Fachzeitschriften herauszuge-
ben. Vor dem Krieg lagen chemische und physikalische Fachzeitschriften mit Bezug
zur Radioaktivitätsforschung fest in der Hand deutscher Herausgeber und Verlage.261
Um diese Hegemonie aufzulösen, plante Meyer gemeinsam mit dem Berliner Physiker
und Mitherausgeber des »Jahrbuchs für Radioaktivität und Elektronik«, Rudolf Seeli-
ger, eine neue Zeitschrift mit dem Titel »Archiv für Radiologie und Atomphysik« her-
auszugeben, die alle mit Radioaktivität zusammenhängenden Gebiete der Physik und
Chemie, die technischen Grenzgebiete und luftelektrische Fragen behandeln sollte.
Obwohl er selbst hauptsächlich zu physikalischen Fragestellungen arbeitete, übernahm
Meyer die Redaktion des chemischen Teils der Zeitschrift. Österreicher und Deutsche
waren unter den geplanten Referenten für die einzelnen Fachgebiete in der Zeitschrift
gleichermaßen vertreten, doch bemühte sich Meyer darum, seine österreichischen
Kollegen als (Co-)Referenten in einflussreiche Positionen zu schleusen.262 Letztlich
waren seine Bemühungen vergebens, denn das Projekt scheiterte am Widerstand deut-
scher Physiker. Insbesondere Johannes Stark, der Gründer des Jahrbuchs, fürchtete die
Konkurrenz der neuen Zeitschrift. Auch andere einflussreiche Physiker wie Arnold
Sommerfeld, Max Planck und Wilhelm Wien standen dem Zeitschriftenprojekt reser-
viert gegenüber.263
Meyer suchte zwar, ähnlich wie seine Kollegen und Kolleginnen, den Schulter-
schluss mit der deutschen Radioaktivistengemeinschaft, doch ihm war sehr daran ge-
legen, daneben seine Kontakte ins »feindliche Ausland« zu pflegen. Bei seinen Innsbru-
cker Kollegen Lerch und Schweidler, die sich öffentlich stark für die deutsch-österrei-
chische Sache ausgesprochen hatten, warb er für eine versöhnliche Haltung :
vom 25.11.1917 ; ebd., K 16, Fiche 258 : Mache an Meyer vom 1.9.1917 ; ebd., K 13, Fiche 212 : Hevesy
an Meyer vom 21.12.1917.
259 Vgl. Meyer/Schweidler 1918, 30–32.
260 Vgl. Ernst 1992, 147.
261 Dazu zählte neben der »Physikalischen Zeitschrift« beispielsweise das von Johannes Stark zwischen 1904
und 1913 herausgegebene »Jahrbuch der Radioaktivität und Elektronik«.
262 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 19, Fiche 308 : Meyer an Seeliger vom 6.2.1916.
263 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 19, Fiche 308 : Seeliger an Meyer vom 15.8.1916.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369