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Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung,
1919–1932136
»At a meeting in Paris last month of the International Commission on the Chemical Ele-
ments I was asked to obtain your opinion and that of Mme Curie on certain points of no-
menclature. As you probably know, the Commission has been charged with the work of
preparing in the future annual tables relating to the elements, which shall include not only
lists of atomic weights, but also lists of isotopes and of the radio elements. In the latter is has
been proposed to substitute for the terms emanation of radium, actinium and thorium re-
spectively the names Radion, Actinon and Thoron. With regard to this the Commission
would know your opinion, as I could not specifically say what your view was.«205
Vorerst konnten sich beide Seiten auf keine gemeinsame Linie einigen. Innerhalb der
deutschsprachigen Radioaktivistengemeinschaft gelang es Physikern aus Österreich,
ihren Einfluss in Nomenklaturfragen auch in der Nachkriegszeit zu behaupten. 1924
forderte die Deutsche Chemische Gesellschaft (DCG) Meyer auf, als Vertreter der
anorganischen Chemiker Österreichs der »selbständigen deutschen Kommission für
Nomenklatur« beizutreten.206 In der Gesellschaft, wo Berliner Chemiker den Ton an-
gaben, schätzte man Meyers ausgleichende Art.207 Dieser nahm das Angebot an und
beteiligte sich in der Folgezeit aktiv und vermittelnd, die Bezeichnungen radioaktiver
Zerfallsprozesse zu vereinheitlichen. Gemeinsam mit Schweidler überarbeitete er 1927
die Monographie »Radioaktivität« und erneuerte deren Status als Referenzorgan der
deutschsprachigen Radioaktivitätsforschung. Ähnlich wie die 1916 erschienene Erst-
ausgabe bot die Neuauflage Orientierung bei den oftmals unübersichtlichen und wi-
dersprüchlichen Begriffsverwendungen. Sie fasste zudem die gesamte deutsch-, eng-
lisch- und französischsprachige Literatur der Zeit zusammen und wurde deshalb von
Chemikern und Physikern gleichermaßen dankbar begrüßt.208 Auch im englischspra-
chigen Ausland fand das Buch wohlwollende Aufnahme.209 Allerdings wurde es nicht
ins Englische übersetzt, weil Rutherford und seine Kollegen in Cambridge, Chadwick
und Ellis, gerade an einer ähnlichen Überblicksmonographie zur Radioaktivität arbei-
teten. Obwohl Robert Lawson und andere sich anboten, die »Radioaktivität« von
Meyer/Schweidler zu übersetzen, fand sich kein Verlag, der bereit war, ein deutschspra-
chiges Konkurrenzprodukt zur Rutherford’schen Publikation ins Programm zu neh-
men.210
205 CUL, RC, Add 7653, S 180 : Soddy an Rutherford vom 10.8.1922.
206 AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 10, Fiche 166 : DCG an Meyer vom 18.5.1924.
207 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 10, Fiche 166 : Hönigschmid an Meyer, undatiert [Mai 1924].
208 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 17, Fiche 274 : Paneth an Meyer vom 10.4.1927 ; ebd., K 12,
Fiche 197 : Hahn an Meyer vom 6.7.1927.
209 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 18, Fiche 295 : Rutherford an Meyer vom 3.5.1927.
210 Rutherfords Monographie »Radiations from Radioactive Substances« erschien bei Cambridge University
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369