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Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 141
beispielsweise in Schweden und in den USA, unterstützten staatliche Stellen die Kern-
forschung kaum.231
Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses blieb in Österreich ein dringen-
des Problem. Die Zahl der Studierenden an den Physikalischen und Chemischen Insti-
tuten der Universitäten Wien, Graz und Innsbruck nahm nach Kriegsende zwar über-
durchschnittlich zu, doch die universitären Planstellen in Forschung und Lehre blie-
ben unverändert.232 Anders als in manchen wissenschaftlich rückständigen europäi-
schen Ländern wie Ungarn, Spanien oder der Tschechoslowakei, aber auch in Japan,
die ihrem begabten Nachwuchs mittels Reisestipendien eine Ausbildung in den wis-
senschaftlichen Zentren jener Zeit ermöglichten, war eine solche Förderung in Öster-
reich nicht vorgesehen.233 Der Staat vergab weder Stipendien für Forschungsaufent-
halte im Ausland, noch beteiligte er sich an Reisekosten, die durch die Teilnahme an
Tagungen und Kongressen entstanden.234 In Österreich gab es keine der Notgemein-
schaft der deutschen Wissenschaft oder der deutschen Helmholtz-Gesellschaft ver-
gleichbaren Institutionen, die sich der Forschungsförderung und der Unterstützung
des wissenschaftlichen Nachwuchses verschrieben hätten.235 Zudem verboten es die
Statuten der Notgemeinschaft aus Rücksicht auf die außenpolitische Lage, wissen-
schaftliche Projekte sowie den Nachwuchs im deutschsprachigen Nachbarland finanzi-
ell zu unterstützen.236
231 Vgl. Sargent 1983, 222. Siehe zur Situation in Schweden Elzinga 1993, 203.
232 Vgl. UAW, Philosophische Fakultät, Sonderreihe, PH S 12 : Die Verhältnisse an den österreichischen
Hochschulen, speziell an den Wiener Universitäten, undatiert [1920].
233 Vgl. RAC, IEB, Series 1.1, Box 24, Folder 345 : Trowbridge an Rose vom 8.6.1926 ; UAW, Philosophi-
sche Fakultät, Sonderreihe, PH S 12 : Kommissionsbericht (zur Lage der staatlichen Stipendien nach
Inflation), undatiert [1922/23]. Siehe zum Stipendienwesen in Ungarn Palló 2005, in der Tschechoslo-
wakei Olšáková 2010, in Spanien Glick 2005, 123–124, und in Japan American Institute of Physics Wa-
shington D.C., ab sofort : AIP, Samuel A. Goudsmit Papers, Series IV, Box 28, Folder 43 : International
Exchange of Scientists vom 24.10.1949.
234 Vgl. AÖAW, Wissenschaftshilfe, Karton 2, Mappe : Wien : Gustav Jäger, Geistige Notlage der Physikali-
schen Institute vom 17.3.1928 ; AÖAW, Wissenschaftshilfe, Karton 2, Mappe : Innsbruck : Friedrich von
Lerch, Auskunft über den Erhalt von Beihilfen und Subventionen des Physikalischen Instituts der Uni-
versität Innsbruck vor und nach dem Kriege vom 15.5.1928, und AÖAW, Wissenschaftshilfe, Karton 2,
Mappe : Graz : Dekanat der Philosophischen Fakultät in Graz an Redlich vom 23.3.1928.
235 Vgl. Forman 1974. Ebenso gab es keine staatlichen Forschungsförderungsinstitutionen, wie etwa der
während des Krieges von der National Academy of Sciences gegründete National Research Council
(NRC) in den USA oder das DSIR in Großbritannien. Vgl. Badash 1979b, 109.
236 Vgl. UAW, Akademischer Senat, Senats-Sonderreihe, Senat S 1 : Ausländische Hilfe (1919–1920) : Rek-
torats-Kanzlei der Universität Wien, Protokoll vom 10.11.1920. In den Genfer Protokollen hatte sich
Österreich verpflichtet, seine territorialen Grenzen und die staatliche Unabhängigkeit zu wahren. Unter-
stützungen, die auf eine Stärkung des Anschlussgedankens abzielten, mussten daher heimlich gewährt
werden. Vgl. Dosedla 2008, 114.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369