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Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 143
den Kernfächern Physik und Chemie, später auch in Biologie und Mathematik zu
bilden.242 Anders als ursprünglich vorgesehen, profitierten von diesem Strategiewech-
sel vornehmlich die nord- und westeuropäischen Länder und die USA, während die
Länder Mittel- und Osteuropas sehr viel geringere Mittel erhielten.
Mithilfe von externen Beratern ging der Stiftungsrat daran, diejenigen europäischen
Labors und Wissenschaftlerpersönlichkeiten auszumachen, die für eine längerfristige
Förderung in Frage kamen. In einem ersten, 1923 erstellten Gutachten der Berater
kamen Wien, Graz oder Innsbruck als Orte innovativer Grundlagenforschung zwar
nicht vor, ganz im Gegensatz zu Cambridge, Paris und einigen deutschen sowie skan-
dinavischen Städten.243 Mit der Zeit entwickelte der Stiftungsrat aber nach den Plänen
des Leiters der Abteilung Naturwissenschaften im IEB, Augustus Trowbridge, ein
Förderkonzept für die Naturwissenschaften, in dem die Vergabe von Stipendien an
Einzelpersonen und nicht so sehr die Unterstützung bestimmter Forschungsprojekte
eine zentrale Rolle spielte.244 Es ging darum, aussichtsreichen Kandidaten und Kandi-
datinnen mithilfe von grants-in-aid eine Ausbildung an den bedeutenden Forschungs-
zentren Europas und der USA zu ermöglichen. In der von Rose entwickelten Strategie
zur Förderung der mittel- und osteuropäischen Staaten sah Trowbridge für das Institut
für Radiumforschung eine ganz eigene Rolle vor. Gegenüber den Mitgliedern des Stif-
tungsrates argumentierte er im Frühjahr 1925 :
»It is A[ugustus]. T[rowbridge].’s own impression that it [Institut für Radiumforschung,
S.
F.] is a case of a good institution, fairly well equipped with a splendid position to serve the
entire South-East of Europe, as a center at which good research work in an important branch
of modern physics is being done, but being done under what to us westerns would seem
almost impossible working conditions for the lack of almost everything we are accustomed
to have in such an institute. […] ; most of the students are from the lower Danube regions,
where conditions are still worse, where even the foreign journals are not available, as they are
here, thanks to the Institute’s being able to effect exchange through its publication. […] there
is no lack of advanced students who seem somehow to be able to live in Vienna and carry on
work ; It seems to A[ugustus]. T[rowbridge]. that for the next year or two, it would be better
not to grant fellowships to Hungarians, Czechs, Poles or Bulgarians for the study of physics
242 Vgl. RAC, RF, RG 3, Series 900, Box 22, Folder 166, Bl. 10 : Brief summary of the conferences of trus-
tees and officers at Princeton vom Oktober 1930. Siehe auch Kohler 1985, 92.
243 Vgl. RAC, IEB, Series 1, Subseries 1, Folder 144 : Robert A. Millikan, List of the world’s outstanding
physical laboratories vom 3.10.1923.
244 Trowbridge hatte selbst einen Teil seiner Ausbildung als Physiker in Berlin verbracht und dort in der
Radioaktivitätsforschung gearbeitet. Er übernahm 1925 den Vorsitz der Abteilung Naturwissenschaften
im IEB, später kam Tisdale als sein Assistent hinzu. Vgl. Compton 1937, 223.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369