Seite - 144 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung,
1919–1932144
in Western Europe, but rather let them seek what is still the natural center, Vienna, where
they can partially support themselves while they carry on their work. […] The Radium In-
stitute of Vienna ought to be a natural feeder from South-eastern Europe to the laboratories
of Madame Curie and Sir Ernest Rutherford. […] the Institute is serving a very valuable
purpose in keeping alive a spirit of the value of research in a pure science in a country which
is the natural cultural center of a vast region.«245
Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, erhielt das Institut für Radiumforschung von
1925 bis 1928 jährlich jeweils 2.000 US-Dollar seitens des IEB.246 Wien, und dort
insbesondere das Institut für Radiumforschung, entwickelte sich in den 1920er Jahren
in der Tat zu einem Anziehungspunkt für die in- und ausländische Radioaktivistenge-
meinschaft. Die Zahl der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stieg kontinuierlich, wobei
fast 80 Prozent aus Österreich stammten.247 Zwischen 1919 und 1931 waren insgesamt
94 Personen am Institut wissenschaftlich tätig, darunter neben einigen Hilfskräften
überwiegend Doktorandinnen und Doktoranden sowie Graduierte.248 Rein zahlenmä-
ßig unterschied sich das Wiener Institut damit kaum vom Pariser Labor Marie Curies.
Zwischen 1919 und 1933 arbeiteten pro Jahr in etwa gleich viele Personen unterschied-
licher Ausbildungsgrade im Pariser und Wiener Institut.249 Auffallend ist der hohe
Frauenanteil an beiden Instituten – eine Folge der aktiven Förderung von Frauen
durch Meyer und Curie.250 Die wenigen remunerierten Institutsstellen wurden aller-
dings hier wie dort fast ausschließlich an Männer vergeben, während Frauen größten-
teils als »travailleurs libres« – sprich unbezahlt – oder als Stipendiatinnen arbeiteten.251
245 RAC, IEB, Series 1.2, Box 25, Folder 360 : Augustus Trowbridge, Memorandum of conversation with
Professor Meyer and Karl Przibram vom 26.3.1925.
246 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 17, Fiche 267 : Trowbridge an Meyer vom 6.5.1925 und
Meyer an Trowbridge vom 2.7.1925.
247 Im Nachlass des Instituts für Radiumforschung sind die Personen namentlich, aber nur in einzelnen
Fällen mit Herkunft bezeichnet. Es handelt sich daher um einen Schätzwert des Gesamtanteils von
Ausländern unter den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.
248 Vgl. Rosner/Strohmaier 2003, 27.
249 Vgl. Tabelle in Schürmann 2006, 37, und eigene Berechnungen aus der Aufstellung der Gastforscher
und wissenschaftlichen Mitarbeiter des Instituts 1919–1942.
250 Siehe zum Institut du Radium Boudia 2011, 13. Im Gegensatz zu Paris und Wien war der Frauenanteil
am Cavendish Laboratory in Cambridge gering. Vgl. Allibone 1987, 31.
251 Vgl. Boudia 2011, 14. Zu den Ausnahmen zählten Hilda Fonovits-Smereker, die ab 1920 als bezahlte
Assistentin am Institut für Radiumforschung arbeitete und 1932 die stellvertretende Leitung der Radi-
umtechnischen Versuchsanstalt übernahm. Vgl. Keintzel/Korotin 2002, 181. Ihre Nachfolgerin wurde
1928 Elisabeth Kara-Michailova, die den Posten bis 1933 behielt. Vgl. ebd., 351. Franziska Seidl war
eine der wenigen Frauen, die seit 1923 als wissenschaftliche Hilfskraft und später als planmäßige Assis-
tentin am I. Physikalischen Institut der Universität Wien angestellt war. Vgl. ebd., 678. Hertha Wamba-
cher war seit 1930 als wissenschaftliche Hilfskraft am II. Physikalischen Institut tätig. Vgl. ebd., S.
786.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369