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Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 151
Unter den Österreichern der Gruppe war auch Josef Mattauch, der seine Ausbil-
dung in Wien als Assistent Felix Ehrenhafts am III. Physikalischen Institut begonnen
und 1926/27 als Rockefeller-Stipendiat am Norman Bridge Laboratory in Pasadena
fortgesetzt hatte. Angeleitet von Robert Millikan, begann er sich mit der Massenspek-
trometrie, das heißt der physikalischen Präzisionsmessung von Atom- und Molekül-
massen, zu beschäftigen. Mit dem neuen Messverfahren konnten die Bindungsener-
gien der Atomkerne definiert und eine Systematik der Isotope erarbeitet werden. Die
Massenspektrometrie galt als eine der aussichtsreichsten Verfahren, um Atomkern-
strukturen genauer zu untersuchen. Seine Forschungsinteressen brachten Mattauch in
engen Kontakt mit der Kernphysik.285
Mattauch wollte die in den USA begonnene Arbeit nach seiner Rückkehr am I.
Physikalischen Institut fortsetzen, doch es fehlten die erforderlichen Mittel und eine
bezahlte Assistentenstelle.286 Ein Mitarbeiter des IEB berichtete nach New York, wie
verstimmt Mattauch darüber sei, in Wien keinerlei Apparate vorzufinden, um seine in
Kalifornien begonnene Arbeit fortzusetzen. Unter den an seinem Institut herrschenden
Bedingungen könne Mattauch nicht arbeiten, weshalb er plane, sich beim Bundesmi-
nisterium für Unterricht oder der deutschen Notgemeinschaft für die Anschaffung der
erforderlichen Geräte stark zu machen, ohne sich allerdings viel Hoffnung zu ma-
chen.287 Beeindruckt von Mattauchs Engagement und von seinen Versuchsaufbauten
im I. Physikalischen Institut, bewilligte die Stiftung 1.000 US-Dollar zur Anschaffung
der erforderlichen Materialien.288 Tisdale notierte nach einem Besuch in Wien in sei-
nem Tagebuch :
»Mattauch has obtained miracles from his Ministry. He has moved a rather second rate Li-
brary out of a large room, which will afford him access to the source of high voltage 20.000
volts, and is ample for his needs in this respect. He has obtained transformers, power tubes,
a 1000 volt storage battery, and now needs a potentiometer with galvanometer etc., an elec-
trometer and a fore stage diffusion pump, costing respectively about 3500 Sch[illing]., 1200
Sch[illing]. and 500 Sch[illing]., laid down in Wien (about 750). […] The Ministry will not
go further for at least a year or two, and I feel that he has worked so successfully in getting
what he has, that we ought to go to 750 for him. Schweidler is backing Mattauch to the
Ministry and to us. […] Mattauch J. showed his new equipment for which R[ockefeller].
285 Vgl. RAC, IEB, Series 1.3, Box 54, Folder 875 : Mattauch an Lind vom 2.5.1927.
286 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 16, Fiche 263 : Meyer an Millikan vom 8.2.1927.
287 Vgl. RAC, RF, RG 12.1, Box 139, Folder 2 : W.E. Lindstrom, Log on Trip to Switzerland, Austria,
Czechoslowakia and Poland vom 2.1.1928.
288 Vgl. RAC, RF, RG 1.1, Series 705D, Box 3, Folder 22 : Research Aid No 10 Natural Sciences. Apparatus
for past fellow J. Mattauch vom 10.2.1930.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369