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Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 153 zum Teil erbittert geführte Forschungskontroverse mit Rutherfords Forschungsgruppe geriet. Im Streit um Messmethoden und -ergebnisse bei der Zertrümmerung leichter Elemente stand letztlich die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit beider Gruppen auf dem Feld der Atomzertrümmerungsforschung auf dem Spiel.294 Die Kontroverse zwi- schen Wien und Cambridge fand in der internationalen Physikergemeinschaft ein breites Echo. Aus der PTR in Berlin schalteten sich 1927 Walther Bothe und Hans Fränz ein.295 Ihre Untersuchungen stützten die Ergebnisse der Cambridger Gruppe.296 Obwohl beide Seiten übereinkamen, den Streit nicht öffentlich auszutragen, litt das Ansehen der Wiener Gruppe in der Fachwelt auf lange Sicht schweren Schaden. Der Physiker Otto Robert Frisch, der nach seinem Physikstudium in Wien und einem Forschungsaufenthalt am Institut für Radiumforschung 1926 an die PTR nach Berlin wechselte, erinnerte sich später : »My supervisor, Karl Przibram, told me with sadness in his voice, ›You will tell the people in Berlin, won’t you, that we are not quite as bad as they think ?‹ I failed to persuade them.«297 Nicht nur in Berlin, auch andernorts im Deutschen Reich begegnete man den Wiener Ergebnissen mit Skepsis. Arnold Som- merfeld aus München wies zwar in der 5. Auflage seiner maßgeblichen Monographie »Atombau und Spektrallinien« auf die Wiener Beiträge zur Atomzertrümmerungsfor- schung hin und ließ sich bei seiner Darstellung der neueren Entwicklungen von Kirsch beraten.298 Aber zugleich bat er seine Berliner Kollegin Lise Meitner, die Passage noch einmal kritisch durchzulesen, damit seine »Darstellung auf diese Weise nicht zu wiene- risch wird. Soviel ich weiss, bestehen auch außerhalb von Cambridge Bedenken gegen die Wiener Resultate«.299 Nicht nur unter deutschen und britischen Physikern verloren die Wiener Atomzer- trümmerer an wissenschaftlicher Reputation. Auch die skandinavischen Physiker folg- ten den Argumenten ihrer Kolleginnen und Kollegen in Cambridge und Berlin und lehnten die Ergebnisse und Hypothesen der Forschungsgruppe um Pettersson ab.300 Als 294 Vgl. Rentetzi 2007, Chapter 5 ; Brown 1997, 77–89 ; Hughes 1993, Chapter 3 ; Stuewer 1985. 295 Bothe übernahm die Leitung des Laboratoriums für Radioaktivität 1925 von Hans Geiger, zwei Jahre nachdem es aus der Abteilung für Optik ausgegliedert und eigenständig weitergeführt worden war. Vgl. Bortfeld 1987, 72. 296 Vgl. Kant 2011, 185 ; Bortfeld 1987, 102. 297 Frisch 1967, 44. 298 Vgl. Sommerfeld 1931, 179–189. Sommerfelds Buch zählte zu den wichtigsten zeitgenössischen Publi- kationen, in denen Erkenntnisse der Quantenmechanik für experimentell arbeitende Physiker dargelegt wurden. Das Buch war eines der herausragenden Lehrbücher zur Ausbildung des Physikernachwuchses. 299 CAC, MTNR 5/16A/5, Bl. 9 : Sommerfeld an Meitner vom 10.4.1930. Auf Anraten Meitners ließ Sommerfeld die umstrittenen Wiener Publikationen zur Zertrümmerbarkeit von Kohlenstoff bei seiner Darstellung weg. Vgl. ebd., Bl. 10 : Sommerfeld an Meitner vom 27.4.1930. 300 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 17, Fiche 280 : Pettersson an Meyer vom 28.10.1928.
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Untertitel
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Autor
Silke Fengler
Herausgeber
Carola Sachse
Mitchell G. Ash
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-79512-4
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
380
Schlagwörter
Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
Kategorien
Naturwissenschaften Chemie
Naturwissenschaften Physik

Inhaltsverzeichnis

  1. 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
    1. 1.1 Internationalisierungsprozesse in der Radioaktivitäts- und Kernforschung : Eine Skizze 9
    2. 1.2 Begriffsklärung und Fragestellungen 10
      1. 1.2.2 Ressourcenausstattung und Ressourcenverteilung 12
      2. 1.2.3 Zentrum und Peripherie 14
    3. 1.3 Forschungsstand 16
    4. 1.4 Quellenlage 24
    5. 1.5 Aufbau der Arbeit 26
  2. 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
    1. 2.1 Österreich-Ungarn in der internationalen Radiumökonomie 31
    2. 2.2 Das regionale Netzwerk formiert sich 40
      1. 2.2.1 Anfänge der Radioaktivitätsforschung im Kontext des Exner-Kreises 40
      2. 2.2.2 Kooperationsformen der Mitglieder 45
      3. 2.2.3 Wissenstransfer vom Zentrum in die Peripherie 46
    3. 2.3 Das Zentrum formiert sich 49
      1. 2.3.1 Gründung des Instituts für Radiumforschung 49
      2. 2.3.2 Verbindungen zur böhmischen Radiumindustrie 54
      3. 2.3.3 Verleih radioaktiver Substanzen durch die Akademie 57
      4. 2.3.4 Bereitstellung radioaktiver Präparate 61
    4. 2.4 Das Zentrum etabliert sich 67
      1. 2.4.1 Wien als metrologisches Zentrum der Monarchie 67
      2. 2.4.2 Die Internationale Radiumstandard-Kommission 69
      3. 2.4.3 Das Scheitern der Nomenklaturfrage im Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn 79
    5. 2.5 Die Gefährdung des Zentrums 81
      1. 2.5.1 Die Radioaktivistengemeinschaft und der Erste Weltkrieg 81
      2. 2.5.2 Österreich-Ungarn in der neuen internationalen Radiumökonomie 88
    6. 2.6 Der Radiumreichtum : ein Wiener Monopol 91
  3. 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
    1. 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
    2. 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
      1. 3.2.1 Der Exner-Kreis und die Physik im Nachkriegsösterreich 97
      2. 3.2.2 Der Exner-Kreis zwischen Kooperation und Konkurrenz 107
    3. 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
      1. 3.3.1 Wiederaufleben des internationalen Netzwerks 109
      2. 3.3.2 Wiederaufnahme des internationalen Präparateverleihs 117
      3. 3.3.3 »Unter keinen Bedingungen verbandelt« : Kooperationen mit der Industrie 122
      4. 3.3.4 Rückkehr auf die internationale Bühne 131
    4. 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
      1. 3.4.1 Stipendien für Zentrum und Peripherie 140
      2. 3.4.2 Atomzertrümmerungsforschung zwischen Kooperation und Konkurrenz 147
    5. 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
  4. 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
    1. 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
      1. 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
      2. 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
      3. 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
      4. 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
      5. 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
      6. 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
    2. 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
      1. 4.2.1 Abzug ausländischen Kapitals 206
      2. 4.2.2 Marginalisierung im deutschsprachigen Wissenschaftskontext 218
    3. 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
      1. 4.3.1 Sparmaßnahmen 226
      2. 4.3.2 Der Streit um die Physikalischen Institute 228
      3. 4.3.3 Pläne für einen Teilchenbeschleuniger in Wien 231
    4. 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
  5. 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
    1. 5.1 Das regionale Netzwerk wird zerstört 237
      1. 5.1.1 Die Auflösung des Exner-Kreises 237
      2. 5.1.2 Die Internationale Radiumstandard-Kommission im ZweitenWeltkrieg 241
    2. 5.2 Auf der Suche nach neuen Organisationsformen 252
      1. 5.2.1 Die Neuordnung der Physikalischen und Chemischen Institute 252
      2. 5.2.2 Die Suche nach neuen industriell-wissenschaftlichen Netzwerken 260
    3. 5.3 An der Peripherie des neuen Netzwerks 264
      1. 5.3.1 Forschungsarbeiten im Auftrag des Militärs 265
      2. 5.3.2 Neue Pläne zum Bau eines Teilchenbeschleunigers in Wien 270
      3. 5.3.3 Der problematische Radiumnachschub 276
      4. 5.3.4 Kernforschung für den Uranverein 282
      5. 5.3.5 Geophysik im Kontext des SS-Ahnenerbes 300
    4. 5.4 Das Kriegsende 304
    5. 5.5 Den Krieg für die Wissenschaft nutzbar machen 305
  6. 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
    1. 6.1 Alliierte Geheimdienste auf den Spuren der Kernforschung in Österreich 308
    2. 6.2 Die Alliierten als Arbeitgeber 312
    3. 6.3 Kernforscher aus Österreich : Keine Munition im »Arsenal des Wissens« 320
  7. 7. Schluss 322
  8. 8. Anhang 334
  9. Abkürzungsverzeichnis 334
  10. Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
  11. Literaturverzeichnis 340
  12. Personenregister 369
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