Seite - 156 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung,
1919–1932156
›inbred‹.« Doch er fuhr fort : »I should unhesitatingly place Cambridge still in first place in
Europe in experimental physics, with probably Göttingen second.«310
Seit seiner Gründung sah sich das IEB dem Wettbewerbsgedanken im Wissenschafts-
betrieb verpflichtet. In New York setzte man auf den Wettbewerb der hellsten Köpfe
beziehungsweise die Konkurrenz verschiedener Laboratorien, um innovative For-
schungsfelder zu entwickeln. Wien und insbesondere das Institut für Radiumfor-
schung sollte in diesem Kontext eine neue Funktion erfüllen : Es sollte als Gegenpol
zum dominierenden Cavendish Laboratory aufgebaut werden. Dementsprechend
schrieb Trowbridge 1927 nach New York :
»Osterhout’s feeling is that in some of the less developed lines in the principal sciences, there
is a real need for a duplication of centers of research, […] possibly in radio-active work,
touching as it does both the fields of physics and chemistry, as well as a real need of obtain-
ing more data on which to develop further theoretical considerations. If there is only one
center, provisional hypothesis is likely to result in the field not being thoroughly covered,
whereas the existence of two centers, not in complete harmony as to facts nor theory, leads
to a more careful criticism of the work of each group and is, according to Osterhout, ex-
tremely important for the development of subjects.«311
Die kompetitive Grundhaltung der US-amerikanischen Stiftung, gepaart mit dem
unerschütterlichen Glauben an die Wirkmächtigkeit charismatischer Wissenschafts-
persönlichkeiten, verhalf der Gruppe um Pettersson daher auch weiterhin zu beträcht-
lichen Fördersummen. Das Institut für Radiumforschung erhielt bis 1929 insgesamt
13.500 US-Dollar vom IEB, um Apparate für die Atomzertrümmerungsforschung zu
beschaffen.312 Es lag damit zwar weit hinter dem Cavendish Laboratory, dem Univer-
sity College London und den meisten US-amerikanischen Universitäten, erhielt aber
mehr finanzielle Hilfe als das Laboratoire Curie oder das Labor von Heike Kamerlingh
Onnes in Leiden.313 Auch im Vergleich zu Meitners radiophysikalischer Abteilung am
Berliner KWI für Chemie war die Forschungsgruppe Pettersson finanziell gut ausge-
stattet.314 Die nach Wien fließenden Fördergelder nahmen sich hingegen bescheiden
310 RAC, IEB, Series 1.1, Box 24, Folder 345 : Trowbridge an Rose vom 8.6.1926.
311 RAC, IEB, Series 1.2, Box 25, Folder 360 : Trowbridge an Rose vom 2.11.1927.
312 Vgl. RAC, RF, RG 1.1, Series 705D, Box 3, Folder 25 : Memo 2nd Institute of Physics vom 14.11.1930.
313 Vgl. RAC, RF, RG 3.1, Series 915, Box 1, Folder 2 : IEB appropriations arranged in order of magnitude
of total support given to the various projects, undatiert.
314 Lise Meitners radiophysikalische Abteilung am KWI für Chemie erhielt eine jährliche Dotation von
8.000 Reichsmark sowie einen Zuschuss in gleicher Höhe von der Notgemeinschaft (16.000 Reichs-
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369