Seite - 165 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 165
sikalischen Institut einen Schleifenoszillographen im Wert von 10.000 Reichsmark zur
Verfügung, mit dem Experimente zur Atomzertrümmerung mit schnellen α-Teilchen
aus Radium C durchgeführt werden konnten. In der Folgezeit übernahm sie alle bei
Betrieb des Gerätes anfallenden Kosten.357 Im Vergleich zu den drei- bis vierstelligen
Fördersummen, die die ÖDW in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren übli-
cherweise gewährte, stellte diese Unterstützung eine seltene Ausnahme dar.358 Stetter
entwickelte sich allmählich zum spiritus rector der Wiener Atomzertrümmerer und
vertrat die Gruppe zunehmend nach außen, nachdem Pettersson 1930 auf eine Stif-
tungsprofessur für Ozeanographie an die Göteborgs Högskola berufen wurde.359
Pettersson kam nach Übernahme der Professur immer seltener nach Wien und war
sich des Generationswechsels wohl bewusst. Er förderte den Aufstieg Stetters nach
Kräften. Im Frühjahr 1930 schrieb er an Meyer :
»Prof. Smekal war so freundlich mich wiederholt zu einem Vortrag dort [nach Halle, S. F.]
über die allgemeine Lage in der Atomzertrümmerung einzuladen, ich […] hatte die Absicht
ihm den Stetter anstatt mir als Vortragender [sic !] vorzuschlagen, da er am aller meisten
befähigt ist über den Stand der Untersuchungen zu sprechen. Ich hätte so wie so nicht dar-
über vortragen können ohne mich bei einem Besuch in Wien über die laufenden Experi-
mente zu orientieren, was noch lange dauern kann bis ich hinkomme.«360
Bei Vertretern der Rockefeller Foundation, die die Wiener Physikalischen Institute in
den 1930er Jahren mehrmals besuchten, hinterließen Stetter, Kirsch und auch Ortner
allerdings keinen bleibenden Eindruck. Obwohl sie als typische Vertreter der dritten
Generation von Exner-Schülern de facto die Leitung der Wiener Kernforschungs-
gruppe übernommen hatten, blieben sie in den Augen des New Yorker Stiftungsrates
Mitarbeiter Petterssons.361
Stetter, Kirsch und Ortner verfügten als besoldete Assistenten an der Universität
beziehungsweise am Institut für Radiumforschung über eine relativ sichere, wenn-
gleich schlecht bezahlte Anstellung. Dies trug wesentlich dazu bei, dass sie die Führung
der Wiener Atomzertrümmerer übernehmen konnten. Im Gegensatz zu ihnen waren
357 Vgl. AÖAW, Wissenschaftshilfe, Karton 2 : ÖDW an Stetter vom 18.2.1930.
358 Felix Ehrenhaft erhielt eine ähnlich hohe Förderung wie Stetter, nämlich 12.000 Reichsmark für die An-
schaffung eines Elektromagneten. Vgl. AÖAW, Wissenschaftshilfe, Karton 1 : Protokoll über die Sitzung
des Kuratoriums der Österreichisch-deutschen Wissenschaftshilfe in Innsbruck vom 8.6.1931.
359 Vgl. Deacon 1966, 408.
360 AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 17, Fiche 281 : Pettersson an Meyer vom 6.5.1930.
361 Vgl. RAC, RF, RG 1.1, Series 705D, Box 3, Folder 25, 66–69 : Memorandum and Trips to Munich,
Vienna, Graz, Salzburg, Venice, Naples, Rome vom 17.5.1932.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369