Seite - 208 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Kernforschung in Österreich,
1932–1938208
nen hydrologischen Arbeiten. Für die Fortsetzung der Atomzertrümmerungsforschung
blieb ihm kaum Zeit. Pettersson kam seit 1931/32 immer seltener nach Wien und
blieb dort nur kurz. Um die Wiener Kernforschungsgruppe, deren Leitung de facto auf
Stetter und Kirsch übergegangen war, weiter zu unterstützen, wandte er einen Teil
seines Göteborger Institutsbudgets auf. Dies machte jedoch nur einen Bruchteil der
Summe aus, die in den 1920er Jahren aus Schweden nach Wien geflossen war. Dane-
ben bezahlte er einzelne am Institut für Radiumforschung tätige Personen, die ihre
Arbeit sonst mangels Einkommen hätten einstellen müssen, und verschaffte anderen
kleinere Stipendien.137
In Göteborg gelang es Pettersson schließlich, die schwedische Wallenberg Stiftung
für seine hydrologische und ozeanographische Forschungsarbeit zu interessieren. Mitte
der 1930er Jahre stellte sie die Mittel bereit, um ein neues Institut für Pettersson zu
errichten, das Oceanographiska Institutet. Das alte Universitätsinstitut für Ozeanogra-
phie zog 1939 mit Bibliothek, Labor und Instrumenten in das neue Institutsgebäude.
Pettersson hatte alle Hände voll zu tun, um den Bau zu überwachen und ein erweiter-
tes Forschungsprogramm für sein neues Institut zu entwerfen und zu implementieren.
Zeit und Geld, die zuvor in bescheidenem Ausmaß nach Wien geflossen waren, wur-
den nun endgültig in das Göteborger Projekt gesteckt.138 1935 brach er seine kernphy-
sikalische Arbeit in Wien ab, um sich ganz dem Aufbau des neuen Instituts zu wid-
men.139 Mit Hans Pettersson ging dem Institut für Radiumforschung ein entscheiden-
der Geld- und Ideengeber verloren. Im zunehmend härteren internationalen Wettbe-
werb um Drittmittel hatte die Wiener Kernforschungsgruppe dadurch schlechte Kar-
ten.
Verglichen mit den ausbleibenden schwedischen Geldern wurden die Kernfor-
schung in Wien und die Höhenstrahlungsforschung in Innsbruck weitaus härter da-
durch getroffen, dass sich die Rockefeller Foundation aus beiden Projekten zurückzog.
In beiden Fällen war es nicht so sehr eine von nationalstaatlichen Interessen getriebene
Politik, die den Umschwung herbeiführte. Die Rockefeller Foundation agierte ähnlich
wie in den 1920er Jahren weltweit, ohne spezifische wissenschaftspolitische Interessen
der USA zu vertreten. Vielmehr änderte die Stiftung 1932 ihre Förderrichtlinien und
nahm dies zum Anlass, ihr finanzielles Engagement in Wien und Innsbruck Schritt für
Schritt aufzugeben.
Glaubt man den Darstellungen in der wissenschaftshistorischen Literatur, dann
bedeutete der Rückzug der Rockefeller Foundation aus der Finanzierung des Instituts
137 Vgl. RAC, RF, RG 1.1, Series 705D, Box 3, Folder 25 : Pettersson an Jones vom 31.3.1933.
138 Vgl. GUB, Hans Pettersson : Pettersson an Karlik vom 20.9.1937.
139 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 17, Fiche 284 : Pettersson an Meyer vom 20.3.1935.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369