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Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945254 Horst-Wessel-Lied sangen und gemeinsam die Reden Adolf Hitlers im Radio verfolg- ten.85 Für Gerhard Kirsch, dessen fachliche Qualitäten im deutschsprachigen Kollegen- kreis fast durchweg angezweifelt wurden, gestaltete sich der Weg zur Professur schwie- riger, obwohl auch er aus seiner nationalsozialistischen Gesinnung keinen Hehl mach- te.86 Reichserziehungsminister Rust zögerte, den fachlich schlecht beleumundeten Kirsch auf das bedeutende Wiener Ordinariat zu berufen. Sein Angebot, die Lehrkan- zel für Physik an der Montanistischen Hochschule in Leoben zu übernehmen, schlug Kirsch aus, weil es »in den letzten Jahrzehnten stets üblich [gewesen war], nach Leoben einen Physiker ohne irgendwelche wissenschaftliche Ambitionen abzuschieben«.87 Als kommissarischer Leiter des III. Physikalischen Instituts hegte Kirsch Hoffnungen, ei- nes Tages die Leitung des wieder gegründeten I. Physikalischen Instituts zu überneh- men, und er wurde dabei von der NSDAP-Gauleitung Wien unterstützt.88 Kirschs letztlich erfolgreiche Bewerbung spricht für die obige These, dass die Ein- vernehmlichkeit der lokalen Verhandlungsführer aus Universität und Partei ausschlag- gebend war, um »ihre« Kandidaten gegenüber dem Ministerium durchzusetzen. Gra- benkämpfe um Berufungen, wie sie zwischen konservativen Ordinarien und national- sozialistischer Dozentenschaft im Deutschen Reich seit 1933 häufig ausgetragen wur- den, sind zumindest für den Bereich Physik an der Universität Wien nicht belegt.89 Man ging vielmehr gemeinsam gegen den Feind von außen  – das REM  – vor. Die verheerenden Gutachten reichsdeutscher Kollegen konnten Kirschs Berufung zwar verzögern, letztlich aber nicht verhindern. 1939 wurde er zum außerplanmäßigen Pro- fessor und ein Jahr später zum ordentlichen Professor auf Lebenszeit ernannt.90 In einem abschließenden Bericht hielt Regierungsrat Dames (REM) fest : »Ursprünglich war von hier nicht vorgesehen, Kirsch auf den bedeutenden Lehrstuhl für Physik an der Universität Wien zu berufen, da er hierfür nicht völlig ausgereift schien. Seine 85 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Karlik, K 39, Fiche 571 : Karlik an Benndorf vom 22.11.1948. 86 Vgl. BAB, R 4901/ZB II 1930 A. 07, Bl. 16–32 : Hans Geiger, Gutachten über Prof. Gerhard Kirsch vom 6.9.1938 ; Walther Gerlach, Gutachten über Prof. Gerhard Kirsch vom 3.9.1938 ; Christian Gerthsen, Gutachten über Herrn Prof. Dr. Gerhard Kirsch vom 9.2.1940 ; Bernhard Gudden, Gutachten über Prof. Dr. Gerhard Kirsch vom 8.4.1940, und Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbil- dung, Eignungsbericht Prof. Gerhard Kirsch vom 5.8.1940. 87 ADM, NL Gerlach, NL 80/417/2 : Kirsch an Gerlach vom 12.3.1939. 88 Vgl. ÖStA, AVA, Ministerium für Kultus und Unterricht 1848–1940, F 630/4/356698–2,c (1939), Bl. 15 : NSDAP Gauleitung Wien an Rektorat der Universität Wien vom 2.8.1939. 89 Vgl. zur schleichenden Entmachtung der reichsdeutschen Ordinarien Grüttner 2002, 350–352. 90 Vgl. UAW, PA Gerhard Kirsch, PH PA 2188, Kiste 112, Bl. 114 : Ernennungsurkunde für Prof. Dr. Ger- hard Kirsch zum apl. Professor vom 9.9.1939 ; ebd., Bl. 129 : Ernennungsurkunde zur Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum o. Professor für G. Kirsch vom 31.1.1941.
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Untertitel
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Autor
Silke Fengler
Herausgeber
Carola Sachse
Mitchell G. Ash
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-205-79512-4
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
380
Schlagwörter
Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
Kategorien
Naturwissenschaften Chemie
Naturwissenschaften Physik

Inhaltsverzeichnis

  1. 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
    1. 1.1 Internationalisierungsprozesse in der Radioaktivitäts- und Kernforschung : Eine Skizze 9
    2. 1.2 Begriffsklärung und Fragestellungen 10
      1. 1.2.2 Ressourcenausstattung und Ressourcenverteilung 12
      2. 1.2.3 Zentrum und Peripherie 14
    3. 1.3 Forschungsstand 16
    4. 1.4 Quellenlage 24
    5. 1.5 Aufbau der Arbeit 26
  2. 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
    1. 2.1 Österreich-Ungarn in der internationalen Radiumökonomie 31
    2. 2.2 Das regionale Netzwerk formiert sich 40
      1. 2.2.1 Anfänge der Radioaktivitätsforschung im Kontext des Exner-Kreises 40
      2. 2.2.2 Kooperationsformen der Mitglieder 45
      3. 2.2.3 Wissenstransfer vom Zentrum in die Peripherie 46
    3. 2.3 Das Zentrum formiert sich 49
      1. 2.3.1 Gründung des Instituts für Radiumforschung 49
      2. 2.3.2 Verbindungen zur böhmischen Radiumindustrie 54
      3. 2.3.3 Verleih radioaktiver Substanzen durch die Akademie 57
      4. 2.3.4 Bereitstellung radioaktiver Präparate 61
    4. 2.4 Das Zentrum etabliert sich 67
      1. 2.4.1 Wien als metrologisches Zentrum der Monarchie 67
      2. 2.4.2 Die Internationale Radiumstandard-Kommission 69
      3. 2.4.3 Das Scheitern der Nomenklaturfrage im Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn 79
    5. 2.5 Die Gefährdung des Zentrums 81
      1. 2.5.1 Die Radioaktivistengemeinschaft und der Erste Weltkrieg 81
      2. 2.5.2 Österreich-Ungarn in der neuen internationalen Radiumökonomie 88
    6. 2.6 Der Radiumreichtum : ein Wiener Monopol 91
  3. 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
    1. 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
    2. 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
      1. 3.2.1 Der Exner-Kreis und die Physik im Nachkriegsösterreich 97
      2. 3.2.2 Der Exner-Kreis zwischen Kooperation und Konkurrenz 107
    3. 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
      1. 3.3.1 Wiederaufleben des internationalen Netzwerks 109
      2. 3.3.2 Wiederaufnahme des internationalen Präparateverleihs 117
      3. 3.3.3 »Unter keinen Bedingungen verbandelt« : Kooperationen mit der Industrie 122
      4. 3.3.4 Rückkehr auf die internationale Bühne 131
    4. 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
      1. 3.4.1 Stipendien für Zentrum und Peripherie 140
      2. 3.4.2 Atomzertrümmerungsforschung zwischen Kooperation und Konkurrenz 147
    5. 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
  4. 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
    1. 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
      1. 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
      2. 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
      3. 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
      4. 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
      5. 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
      6. 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
    2. 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
      1. 4.2.1 Abzug ausländischen Kapitals 206
      2. 4.2.2 Marginalisierung im deutschsprachigen Wissenschaftskontext 218
    3. 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
      1. 4.3.1 Sparmaßnahmen 226
      2. 4.3.2 Der Streit um die Physikalischen Institute 228
      3. 4.3.3 Pläne für einen Teilchenbeschleuniger in Wien 231
    4. 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
  5. 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
    1. 5.1 Das regionale Netzwerk wird zerstört 237
      1. 5.1.1 Die Auflösung des Exner-Kreises 237
      2. 5.1.2 Die Internationale Radiumstandard-Kommission im ZweitenWeltkrieg 241
    2. 5.2 Auf der Suche nach neuen Organisationsformen 252
      1. 5.2.1 Die Neuordnung der Physikalischen und Chemischen Institute 252
      2. 5.2.2 Die Suche nach neuen industriell-wissenschaftlichen Netzwerken 260
    3. 5.3 An der Peripherie des neuen Netzwerks 264
      1. 5.3.1 Forschungsarbeiten im Auftrag des Militärs 265
      2. 5.3.2 Neue Pläne zum Bau eines Teilchenbeschleunigers in Wien 270
      3. 5.3.3 Der problematische Radiumnachschub 276
      4. 5.3.4 Kernforschung für den Uranverein 282
      5. 5.3.5 Geophysik im Kontext des SS-Ahnenerbes 300
    4. 5.4 Das Kriegsende 304
    5. 5.5 Den Krieg für die Wissenschaft nutzbar machen 305
  6. 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
    1. 6.1 Alliierte Geheimdienste auf den Spuren der Kernforschung in Österreich 308
    2. 6.2 Die Alliierten als Arbeitgeber 312
    3. 6.3 Kernforscher aus Österreich : Keine Munition im »Arsenal des Wissens« 320
  7. 7. Schluss 322
  8. 8. Anhang 334
  9. Abkürzungsverzeichnis 334
  10. Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
  11. Literaturverzeichnis 340
  12. Personenregister 369
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