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Auf der Suche nach neuen Organisationsformen 261
Gleiches galt für das Forschungsinstrumentarium. Hans Pettersson holte unter
dem Eindruck der neuen politischen Verhältnisse einen Teil der Wiener Geräte nach
Schweden, die in den 1920er Jahren mit schwedischem Geld angeschafft worden
waren.128 Auch ausländische Stiftungen zogen sich zurück : Die Rockefeller Founda-
tion forderte ähnlich wie zuvor im Deutschen Reich jene Gelder zurück, die an einen
Emigranten oder eine Emigrantin vergeben worden waren.129 Darüber hinaus kam
der Austausch von wissenschaftlichen Ergebnissen während des Krieges zum Erliegen.
War die internationale Publikationstätigkeit zu kernphysikalischen Themen nach der
Entdeckung der Kernspaltung sogar noch angewachsen, so kam sie im Kriegsverlauf
bald gänzlich zum Erliegen. Dies galt insbesondere für Veröffentlichungen, die mili-
tärisch relevant waren.130 Publikationen aus dem Ausland zu beziehen beziehungs-
weise eigene Publikationen gegen diejenigen ausländischer Institute einzutauschen,
wurde in der »Ostmark« immer schwieriger. Mit Kriegsausbruch brach der Kontakt
zu den meisten Instituten und Labors in Skandinavien, den Beneluxstaaten, Bulga-
rien, Frankreich und den USA ab, mit denen zuvor jahrzehntelange Verbindungen
gepflegt worden waren. Ein Versuch, den Publikationsaustausch über die Reichs-
tauschstelle im Reichsministerium des Inneren in Berlin wiederzubeleben, scheiter-
te.131 Spätestens seit dem Sommer 1942 waren die Wiener Physikalischen Institute
vom Bezug fast aller ausländischen Fachzeitschriften abgeschnitten.132 Durch Stefan
Meyer erhielten Berta Karlik und Gustav Ortner während des Krieges lediglich indi-
rekt Informationen über laufende Forschungsarbeiten im Ausland.133 Schließlich
nahm auch die Zahl der am Institut für Radiumforschung tätigen ausländischen
Gäste rapide ab (1940 : 14 ; 1941 : 9 ; 1945 : 8).134 Georg Stetter suchte beim REM
vom 28.10.1942. Mit der Integration des britischen Atombombenprojekts in das US-amerikanische
Manhattan Projekt wurde der Austausch von Präparaten über den Atlantik ausgedehnt. Vgl. ebd.,
CHAD IV 1/9 : Chadwick an Kowarski vom 9.6.1942, und Kowarski an Chadwick vom 12.7.1943.
Vereinzelte Präparate stammten von der Union Minière. Siehe dazu ebd. Chadwick an Kowarski vom
5.8.1942.
128 Vgl. GUB, Hans Pettersson : Pettersson an Karlik, undatiert [1938].
129 Vgl. RAC, RF, RG 1.1, Series 705D, Box 3, Folder 26 : Letort an Ehrenhaft vom 27.7.1938.
130 Vgl. AMPG, III. Abt., Rep. 45 NL Paneth, Nr. 7/4, Bl. 3 : Meyer an Paneth vom 27.1.1939 ; ebd., Nr.
44, Bl. 48 : Paneth an Hahn vom 1.4.1939. Siehe auch MC, FFJ, F 145, Fiche 370–371 : Szilard an Joliot
vom 7.4.1939.
131 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 11, Fiche 173 : Institut für Radiumforschung an Reichstausch-
stelle vom 22.3.1941.
132 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 17, Fiche 271 : Ortner an Meyer vom 3.7.1942.
133 Vgl. AMPG, III. Abt., Rep. 45 NL Paneth, Nr. 7/4, Bl. 12 : Meyer an Paneth vom 8.9.1938 (Fortdauer
der Korrespondenz mit Hevesy, Paneth, Lawson und Hönigschmid).
134 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, Tätigkeitsberichte, K 5, Fiche 96 : Bericht über die Tätigkeit vom April 1939
bis April 1940, undatiert [1940] ; ebd., Bericht über die Tätigkeit vom April 1940 bis April 1941 vom
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369