Seite - 272 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«,
1938–1945272
des II. Physikalischen Instituts in Höhe von 400.000 Reichsmark vor.191 Im April
1942 gab das RWA zuerst Georg Stetter den Auftrag, Neutronenprozesse zu untersu-
chen. Der Forschungsauftrag war mit rund 77.000 Reichsmark dotiert.192 Auch das
Physikalische Institut der Universität Innsbruck wurde vom RWA unterstützt. Das
Institut erhielt spätestens im Januar 1944 den Auftrag, die »Auslösung von Neutronen
aus Atomkernen durch energiereiche Strahlung« zu untersuchen.193 Welche Summen
dafür nach Innsbruck flossen, geht aus den Akten nicht hervor.
Das RWA beließ es allerdings nicht dabei, Einzelprojekte zu fördern. Es richtete
darüber hinaus eigene Forschungsinstitute ein. Die sogenannten Vierjahresplaninsti-
tute sollten technische Gebiete erforschen, die in bestehenden öffentlichen oder
privaten Institutionen nicht oder nur ungenügend bearbeitet werden konnten. In
Wien wurde im Frühjahr 1943 das Vierjahresplaninstitut für Neutronenforschung
gegründet. Das RWA sah für das neue Institut mehrere Aufgabengebiete vor : Nach
dem Vorbild der Laboratorien von Frédéric Joliot in Paris und Niels Bohr in Kopen-
hagen sollte es radioaktive Isotope produzieren und deren Verteilung im Deutschen
Reich koordinieren. Als potenzielle Hauptabnehmer galten die Wiener Universitäts-
kliniken. Die in Wien produzierten Isotope sollten zudem als Neutronenquelle für
die zerstörungsfreie Materialprüfung mittels Neutronenradiographie zum Einsatz
kommen.194 Weiters stand die Erforschung der Neutroneneigenschaften beim
Durchgang durch Materie auf der Forschungsagenda des Instituts. Schließlich sollten
die Halbwertszeiten der Spaltprodukte des Urans genauer als bisher ermittelt wer-
den.195 Für den Bau des für die Isotopenproduktion notwendigen Neutronengenera-
tors bewilligte das RWA dem Institut für Radiumforschung im März 1943 118.000
Reichsmark.196
Das Vierjahresplaninstitut für Neutronenforschung ging aus dem Zusammenschluss
von Teilen des II. Physikalischen Instituts und des Instituts für Radiumforschung
hervor, die Räume, Apparate und Instrumente sowie radioaktive Präparate in das
neue Institut einbrachten.197 Seine Leitung übernahmen im April 1943 Georg Stetter
191 Vgl. ÖStA, AdR, Kurator der wissenschaftlichen Hochschulen in Wien, K 19/6150/A : Kurator an
Reichsbauamt Wien-Nord vom 15.11.1941.
192 Vgl. AÖAW, Vierjahresplaninstitut für Neutronenforschung, K 1, Konv. 5, Fiche 6 : Reichsamt für Wirt-
schaftsausbau an Stetter vom 18.2.1944.
193 BAB, R 4901/14033 : Steinmaurer an REM vom 17.2.1944.
194 Siehe zur Umsetzung dieser Pläne in der Nachkriegszeit Schwerin 2012, 371–375.
195 Vgl. OOFR, Mappe 19143, Bl. 119–121 : Aussagen von Prof. Dr. Gustav Ortner vom 28.4.1945.
196 Vgl. ÖStA, AdR, Kurator der wissenschaftlichen Hochschulen in Wien, K 19/6147 A : Ortner an Kura-
tor vom 3.3.1943.
197 Vgl. BAB, R 4901/13974, Kurator der wissenschaftlichen Hochschulen in Wien an Rust vom 24.1.1944.
Siehe auch OOFR, Mappe Österreich, Bl. 85a–89a : Gustav Ortner, Bericht über das Institut für Neu-
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369