Seite - 273 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
Bild der Seite - 273 -
Text der Seite - 273 -
An der Peripherie des neuen Netzwerks 273
und Gustav Ortner. Das Institut für Theoretische Physik der Universität Wien, des-
sen Leitung der von der TH Stuttgart kommende reichsdeutsche Physiker Erwin
Fues übernahm, wurde dem Vierjahresplaninstitut ebenfalls angeschlossen.198 Mit
ihm kooperierten zudem das Institut für Anorganische Chemie der Wiener Univer-
sität, das Institut für Technische Chemie organischer Stoffe der TH Wien sowie
einzelne Wissenschaftler, die nicht institutionell angebunden waren.199 Das REM
übte stellvertretend für das RWA die Dienstaufsicht über das neue Vierjahresplanin-
stitut aus.
Die Angehörigen des Vierjahresplaninstituts für Neutronenforschung
– Karl Kaindl,
Walter Gundlach, außerdem ein Doktorand der Physik sowie ein weiterer Assistent –
wurden, verglichen mit den Gehältern der Vorkriegsjahre, relativ gut bezahlt. Auch
Alfred Bruckl, der als Professor am Institut für Technische Chemie Organischer Stoffe
der TH Wien arbeitete, erhielt für seine kriegswichtige Tätigkeit Sondervergütun-
gen.200 Der Physiker Erwin Fischer-Colbrie, der in den 1930er Jahren Schüler von
Georg Stetter gewesen war und im März 1943 als Assistent an das Institut für Radium-
forschung kam, wurde als »Schlüsselkraft« mit Verweis auf kriegswichtige Forschungs-
aufträge sogar aus einem Nürnberger Rüstungsbetrieb abgezogen.201
Mit der Gründung des neuen Instituts rückte der seit Jahren geplante Erwerb eines
leistungsfähigen Neutronengenerators in greifbare Nähe. Die Hamburger Firma C. H.
F. Müller erhielt den Auftrag, einen Beschleuniger mit einer Leistungsfähigkeit von
rund einer Million Volt zu bauen. Das Gerät sollte zusammen mit einem Beschleuni-
gerblock und Peripheriegeräten schnelle Protonen und Deuteronen erzeugen. Die
Hälfte der Kaufsumme von 120.000 Reichsmark überwies das Vierjahresplaninstitut
sofort nach Hamburg. Das vorhandene Geld reichte aus, um daneben auch noch einen
großen Schleifenoszillographen von Siemens & Halske, einen selbst-registrierenden
Mikrofotometer sowie mehrere kleinere Apparate zu erwerben.202 Da die Räumlich-
tronenforschung am II. Physikalischen Institut der Wiener Universität und über das Institut für Radi-
umforschung der Wiener Akademie der Wissenschaften (russisch) vom 30.3.1946.
198 Vgl. ADM, Handschriftensammlung, HS 1977–28/A 107 : Fues an Sommerfeld vom 7.7.1943.
199 Vgl. OOFR, Mappe Österreich, Bl. 4–5 : Bericht der Leiter des Büros für Neue Technik an Scheltow
über österreichische Institutionen und Personen, die sich mit dem A-Problem beschäftigen (russisch)
vom 11.4.1946.
200 Vgl. ÖStA, AdR, Kurator der wissenschaftlichen Hochschulen in Wien 1940–1945, K 5/2104 : Vergü-
tung für Nebentätigkeit im Rahmen des Vierjahresplaninstitutes für Neutronenforschung für Prof. Dr.
Alfred Brukl vom 27.11.1943 und ebd., K 19/6149 A : Fortführung der kriegswichtigen Arbeiten von
Prof. Kratky in Wien vom 8.11.1943.
201 AÖAW, FE-Akten, IR, Behördenschriftwechsel, K 32, Fiche 443 : Rüstungskommando Wien an Wehr-
meldeamt Nürnberg vom 2.12.1942.
202 Vgl. OOFR, Mappe Österreich, Bl. 85a–89a : Gustav Ortner, Bericht über das Institut für Neutronen-
forschung (errichtet während des Vierjahresplanes) am II. Physikalischen Institut der Wiener Universität
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369