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An der Peripherie des neuen Netzwerks 285
die von Wissenschaftlern aus dem gesamten Reich aufgegeben wurden.256 Die Wiener
Gruppe war mit der Qualität der Agfa-Platten ebenso unzufrieden wie Walther Bothe
in Heidelberg. Die Kritik bezog sich vor allem auf die lediglich rund 20 μ dicke Emul-
sionsschicht der Platten, während man in Großbritannien bereits Schichten mit fünf-
facher Stärke nutzte, was eine dreidimensionale Aufzeichnung der Strahlung ermög-
lichte.257 Vorerst wollte Eggert jedoch weder für Bothe noch für andere Mitglieder des
Uranvereins dickere Spezialplatten gießen, da in Wolfen die komplizierte Herstellung
und Handhabung gefürchtet wurde.258 Außerdem war die Filmfabrik wegen dringen-
der Wehrmachtsaufträge zwischenzeitlich »unter allerlei Hemmungen gestanden«, so
dass man dort erst Ende des Jahres 1939 »wieder zu einer etwas regelmäßigeren Tätig-
keit« kam.259
Ob die Reklamationen seitens des Uranvereins ausschlaggebend waren, damit man
sich in Wolfen intensiver mit den Spezialemulsionen befasste, lässt sich aus den Quel-
len nicht rekonstruieren. Fest steht jedoch, dass man in Wolfen zu Beginn des Jahres
1940 anfing mittels eines starken Poloniumpräparats verschiedene α-Strahlbahnspuren
auf unterschiedlichem Plattenmaterial und mit verschiedenen Entwicklern auszupro-
bieren.260 Im Mai 1940 konnte Eggert erste Erfolge vermelden. Die Filmfabrik stellte
nun K-Platten mit 70 μ Durchmesser her sowie Platten mit sehr großem Bromsilber-
gehalt, auf denen sich die Bahnspuren gut verfolgen ließen.261 Beide Platten gingen
zu Testzwecken auch nach Wien.262 Ende 1940 hatte man in der Filmfabrik eine sil-
berreiche K-Platte und eine fast kornlose Lippmann-Schicht-Platte für kernphysikali-
sche Zwecke entwickelt.263 Die neuen Emulsionen weckten in Wien wahre Begeiste-
rungsstürme :
256 Vgl. AIFM, Schriftverkehr mit Kunden zu wissenschaftlichen Materialien, A 19803 : Bothe an Eggert
vom 23.2.1940 ; ebd., Mattauch an Eggert vom 19.4.1943.
257 Bei Agfa gelang es erst Anfang 1941, Platten mit Schichtdicken von 100 μ zu gießen. Vgl. AIFM,
Schriftverkehr mit Kunden zu wissenschaftlichen Materialien, A 19803 : Eggert an Wambacher vom
14.2.1941.
258 Vgl. AMPG, I. Abt., Rep. 34 KWI für Physik, Moskauer Akten, Nr. 2 : Eggert an Wambacher vom
2.4.1941.
259 AMPG, I. Abt., Rep. 34 KWI für Physik, Moskauer Akten, Nr. 2 : Eggert an Wambacher vom
7.12.1939.
260 Vgl. AIFM, A 11444 : Monatsberichte Wissenschaftliche Abteilung Prof. Eggert : Monatsbericht I/1940
für die Zeit vom 1. Januar bis 29. Februar 1940.
261 Vgl. AIFM, A 11444 : Monatsberichte Wissenschaftliche Abteilung Prof. Eggert : Monatsbericht
III/1940 für die Zeit vom 1. Mai bis 30. Juni 1940.
262 Vgl. AMPG, I. Abt., Rep. 34 KWI für Physik, Moskauer Akten, Nr. 2 : Eggert an Wambacher vom
11.7.1940.
263 Vgl. AIFM, A 11444 : Monatsberichte Wissenschaftliche Abteilung Prof. Eggert : Monatsbericht
VI/1940 für die Zeit vom 1. November bis 31. Dezember 1940.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369