Seite - 306 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«,
1938–1945306
sierungs- und Nomenklaturfragen über die Kriegszeit hinwegzuretten. Der Wirkungs-
kreis verengte sich vielmehr immer stärker auf das Deutsche Reich. Viele Wissenschaft-
lerinnen und Wissenschaftler, die mit dem Nationalsozialismus sympathisierten, setz-
ten große Hoffnungen auf die Berliner Behörden : Deren Versprechungen, die natur-
wissenschaftlichen Institute in der »Ostmark« mit einem warmen Geldregen zu über-
ziehen, erfüllten sich nicht. Festzuhalten bleibt aber, dass Gelder, die für militärisch
relevante Forschung nach Wien, Graz und Innsbruck flossen, halfen die Ausstattung
der Institute zu verbessern und den Forschungsbetrieb während des Krieges aufrecht
zu erhalten. Kriegseinwirkung verhinderte jedoch, dass man in Wien an großtechni-
sche Entwicklungen anschließen konnte, und auch fehlende natürliche radioaktive
Strahlungsquellen behinderten die kernphysikalische Forschung.
Ein Großteil der Wiener Gruppe war seit 1943 mit (Zu-)Arbeiten für den Uranver-
ein beschäftigt und konkurrierte dabei in vielfacher Hinsicht mit den Kollegen aus
dem »Altreich«. Im Wettlauf um Ressourcen, die im Verlauf des Krieges immer knap-
per wurden, zogen die Wiener wiederholt den Kürzeren. Das Beispiel der Höhenstrah-
lungsforschung zeigt, wie schwierig es war, Zugang zu bereits etablierten wissenschaft-
lich-industriellen Netzwerken im Reich zu finden und von deren Verteilungsmechanis-
men zu profitieren. Sie griffen daher auf regionale Netzwerke zurück, die den Mangel
aber nur bedingt ausgleichen konnten. Im polykratischen System des Nationalsozialis-
mus fehlten die entscheidenden Kontakte zu einflussreichen Persönlichkeiten aus Poli-
tik und Wissenschaftsverwaltung. An der Peripherie des Uranvereins gelegen, war man
in Wien, Graz und Innsbruck auf traditionelle Stärken zurückgeworfen : das Messen
und Sammeln kernphysikalisch relevanter Daten. Innerhalb dieses engen epistemi-
schen Rahmens war es nur bedingt möglich, den Krieg für die Wissenschaft in Öster-
reich nutzbar zu machen und eine Basis zu schaffen, an die in der Nachkriegszeit an-
geknüpft werden konnte.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369