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Kernforschung für die Alliierten – ein
Epilog316
»I think that the contents of this letter [Schintlmeister an Mark, S.
F.] should be called to the
attention of the scientists working on the project back home just as soon as possible. There
are some statements there which make it come nearer to the real thing than any other report
that I have seen so far, even though it is mere speculation on his part and does not refer to
any conclusive experiments. He seems to be aware of the importance of the trans-uranic
elements.«45
Doch bevor sich die US-amerikanischen Militärbehörden entschließen konnten
Schintlmeister anzuwerben, nahm er im April 1946 eine sowjetische Offerte an.46
Die sowjetischen Sonderkommissionen waren über die politischen Aktivitäten Schintl-
meisters während des Krieges ähnlich gut informiert wie der US-amerikanische Ge-
heimdienst.47 Ein US-amerikanischer Beobachter der Vorgänge brachte die Verhält-
nisse auf den Punkt :
»It was ascertained that Schintlmeister had little option but to go to Russia, since his previous
Nazi activities excluded him from University life in Vienna. Sources describe him as an op-
portunist who would go where he thought his personal ends or gains would best be served.
He was not necessarily the man whom the Russians wanted most, or the best available Aus-
trian physicist, but he was the one who they could most easily obtain.«48
Ähnlich wie zu Zeiten des Uranvereins verfügte Schintlmeister, Absolvent der experi-
mentell ausgerichteten Wiener Physik, auch in der Nachkriegszeit über eine gefragte
Qualifikation, die es ihm ermöglichte, seine Karriere im Ausland fortzusetzen. Schon
während des Krieges hatte Schintlmeister sich mit seiner Monographie »Die Elektro-
nenröhre als physikalisches Meßgerät« den Ruf eines Elektronikers erworben.49 Das
mehrfach aufgelegte Buch wurde 1944 ins Englische übersetzt. Die Unterhändler des
US-Geheimdienstes waren überzeugt, dass die sowjetische Seite eher an experimentell
geschulten Physikern interessiert war als an Theoretikern. Ihr Augenmerk liege beson-
ders auf Experimentalphysikern, die kernphysikalische Messgeräte entwickeln konnten.
Schintlmeister passte also gut ins Konzept. Möglicherweise hatte er weniger Berüh-
rungsängste mit der Sowjetunion als viele seiner Kolleginnen und Kollegen, denn er
45 NARA, RG 77, Box 167, Entry 22 : Goudsmit an Calvert vom 5.9.1945.
46 Vgl. NARA, RG 77, Box 174, Entry 22 : Jentschke an Riezler vom 28.11.1946.
47 Vgl. OOFR, Mappe Österreich : Zusammenfassung der Materialien des Büros für Neue Technik zur
Kernforschung in Österreich in und vor dem Krieg (russisch), undatiert [1946], Bl. 11.
48 NARA, RG 77, Box 174, Entry 22 : Interim Report for 1st Sept. 1946, Survey over Intelligence Aspects of
Atomic Energy, undatiert.
49 Vgl. Schintlmeister 1942.
Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Titel
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Untertitel
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Autor
- Silke Fengler
- Herausgeber
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 380
- Schlagwörter
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Kategorien
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Inhaltsverzeichnis
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369