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176 haben, sofort haben wir ihm Steine nachgeworfen. Da sind nicht viele Leute
vorbei da oben. Mehr als wie die oben einen Maisäß gehabt haben, oder wei-
ter drinnen daheim gewesen sind, die haben wir alle gekannt. Denen haben
wir nichts getan. Aber einen, wo wir nicht gekannt haben, sofort … Überall
sind „Schärrhüfa“224 gewesen, „Mushüfa“225. Da sind Steine drinnen gewesen.
Dort haben wir die Steine heraus. Und haben sie versteinigt, diese Männer.
Die haben dann „läd kiebat“226 mit uns. Wenn sie uns erwischt hätten, hätten
sie uns geschlagen. Aber sie haben uns halt nie erwischt [lacht]. Wir sind dann
auch „gesprungen“227. Aber ich erzähle dir doch einen Matsch, wo keinen Sinn
und nichts hat. Oder willst du das so?
UU ♂, geboren 1924:
UU: [schließt an seine Erzählungen über das Leben und Arbeiten als Hir-
tenjunge an:] Wir haben uns dann auch „verstellt“228. Als Frau. Wir haben
natürlich kein Fernglas gehabt, sonst hätten sie’s ja erkannt. Dann haben wir
da so einen Rock gehabt. Und wenn die Kühe irgendwo günstig gewesen sind,
dann ist der eine runter – der andre ist auch so vier, fünf Jahre jünger als
ich gewesen. Dann hat er einen Umweg machen müssen. Wir haben gewusst,
dass er [der Senn, Anm.] um elf mit der Sennerei fertig sein hat müssen. Und
dann ist er zu dem Eck runter zu dem Kreuz – in der Alpe ist ein Kreuz – und
[lacht] dann ist er zu dem Kreuz und hat eine Pfeife gefüllt und angezun-
den und hat geschaut, wer da so kommt. Da ist natürlich wochenweise kein
Mensch gekommen. […] Und wir sind, einer von uns ist runter und ist wieder
rauf gekommen. In dem Rock. Und so kleine Schritte, als wenn’s ein Weibsbild
wär. Und dann aber [lacht], vielleicht einen Kilometer, eineinhalb Kilometer
vor dem Stafel hat er abgelenkt. Und der andere hat eben gewunken. Und das
Fräulein oder das Weib hat dann auch gewunken. Und dann hat der, „Herr-
gott, jetzt geht wieder so eine“ – „Sau“ hat man dann gesagt – „So eine Sau
geht wieder rauf zu den Hunden da!“ Halt, so. [lacht] Und wir haben eben
gelacht oben und die haben einen Mordshass gehabt, dass die da rauf geht.
Na, das haben wir ihm aber dann später, als wir dann älter gewesen sind und
nicht mehr auf der Alpe waren, gesagt und haben dabei ein Viertel getrunken.
EF ♂, geboren 1910:
EF: So bin ich noch zur [Lindauer, Anm.] Hütte hinunter gekommen. Ja, ja.
Und hinein wollte man wegen den zwei Mädchen. Der hat zwei schöne Mäd-
chen gehabt, der Vonier, gell. Und das hat halt gezogen. [lacht]
224 Maulwurfhügel.
225 Wühlmaushügel.
226 sehr geschimpft.
227 davongelaufen.
228 verkleidet.
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Titel
- Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
- Untertitel
- Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Verlag
- StudienVerlag
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 15.8 x 23.4 cm
- Seiten
- 464
- Schlagwörter
- Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Einführung 13
- 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
- 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
- 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
- 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
- 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
- 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
- 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
- 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
- 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
- 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
- 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
- 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
- 3.4.6. Modernisierung 112
- 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
- 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
- 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
- 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
- 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
- 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
- 3.4.13. Autoritäten 183
- 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
- 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
- 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
- 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
- 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
- 3.4.19. Repressives NS-System 230
- 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
- 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
- 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
- 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
- 3.4.24. Gefangenschaft 263
- 3.4.25. Heimkehr 268
- 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
- 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
- 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
- 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
- 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
- 3.4.31. Kriegsende 301
- 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
- 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
- 3.4.34. Entnazifizierung 324
- 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
- 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
- 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
- 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
- 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
- 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
- 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
- 3.4.42. Liebe und Ehe 370
- 3.4.43. Geburt der Kinder 381
- 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
- 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
- 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
- 3.4.47. Naturkatastrophen 400
- 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
- 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
- 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
- 4. Zusammenfassung und Synthese 421
- 5. Verzeichnisse und Nachweise 439