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Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert - Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
Seite - 335 -
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335 Schuss in den Hintern gegeben! Und derweil hat ein Bauer gewartet, der hat von mir ein Päckchen Pfeifentabak geholt. Der hat aber müssen den Rucksack ausleeren und schauen … Und dann habe ich gesagt: „So, jetzt kannst du dei- nen Tabak ruhig einpacken und da hinunter, jetzt bist du sicher. Der erwischt dich nicht mehr, der muss jetzt da hinunter auf die andere Alpe.“ [Lachen] Kulturhistorisch interessant ist hier die Darstellung, dass auch CYs Mutter durch den Verkauf der geschmuggelten Waren eingebunden war. Zahlreiche ZeitzeugIn- nen berichten, dass die Schmugglerei häufig ein Familiengeschäft war, bei dem jeder nach seinen Möglichkeiten und im Rahmen seiner Kontakte mithalf. CYs Erzählung vom morgendlichen Besuch der Zöllner, kurz nachdem er von einer Schmuggeltour zurückgekehrt war, sowie seine Beschreibung, wie er den Wiener Zöllner „lächerlich“ machte, stellen den Höhepunkt seiner Darstellung dar. Die häufig eingestreuten direkten Reden, seine bildhaften Formulierungen („Und wie er die gesehen hat, ist er weg, als hätte man ihm einen Schuss in den Hintern gege- ben!“) sowie der erstaunliche Erzählfluss weisen darauf hin, dass der Zeitzeuge diese Anekdoten sehr häufig zum Besten gegeben hat und mit seiner Erzählung meist viele Lacher erntet. Wie in den Lausbuben- und Schulgeschichten der Leh- rer, kommt in den Schmugglergeschichten dem Zöllner die Rolle des überliste- ten und oft bloßgestellten Gegenspielers zu, auf dessen Kosten die Erzählungen zumeist ihren Unterhaltungswert gewinnen. Neben „Schläue“ wird dem Schmuggler häufig körperliche Stärke attestiert. Zahl- reiche Erzählungen stellen die großen Anstrengungen der Männer ins Zentrum ihrer Darstellungen, wenn sie schwer beladen abseits der Wege und in der Dunkel- heit auf die hohen Berge steigen. Der 1934 geborene DW gibt hierfür ein Beispiel: DW: Die Familie meines Vaters hatte ja vier Kinder. Und da war ein Bru- der, der wollte auch einmal mit. Da hat er Kaffee geholt. Und da hat er 25 Kilo Kaffee aufgeladen und das ist viel für die Strecke. Und das in der Nacht. Und dann hat sein Bruder halt gemeint, ob er auch mit gehen könnte. Der wollte halt auch grad ein paar Schilling verdienen, wenn er da ein bisschen Kaffee mit her nimmt. Gut, dann hat ihn der Vater mit genommen und sie haben Kaffee mitgenommen. Da sind sie über das Gweil daher gegangen. Da ist man vom Platina den Hang raus und oberhalb, da heißt es Geißtal, und da sind sie über das Geißtal und das Geißtal runter. Ein Gelände, weißt du, Steine und Alprosen, Alprosen, Alprosen. Und da sieht man kein Loch und nichts. Und da unten hat der Bruder von ihm gesagt, er kann nicht mehr. Also, er war total fertig. Er hat ihn schon bis dorthin immer wieder aufpeitschen müssen und sagen, „jetzt komm!“, „komm, komm, komm!“. Und dort hat er gesagt, er kann nicht mehr. Da hätte er den Kaffee liegen lassen. Der Eine hat nicht mehr gekonnt. Und dann hat der Vater die 25 Kilo nochmal aufgeladen und ist mit 50 Kilo Kaffee bis da runter, irgendwo. Und dann hat er da oben, scheinbar gar nicht so weit da oben, hat er ihn dann versteckt. Und hat das dann später geholt. Aber, vom Geißtal bis da herunter hat er 50 Kilo … und
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Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Untertitel
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
Verlag
StudienVerlag
Ort
Innsbruck
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
Abmessungen
15.8 x 23.4 cm
Seiten
464
Schlagwörter
Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
Kategorie
Geographie, Land und Leute

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. Einführung 13
  3. 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
    1. 1.1. Potenzial und Grenzen des biografischen Interviews 18
    2. 1.2. Entstehung und Funktion von Erinnerungen 22
      1. 1.2.1. Wahrnehmung 22
      2. 1.2.2. Kollektives, kulturelles, kommunikatives, autobiografischesGedächtnis 25
      3. 1.2.3. Erinnerung 29
    3. 1.3. Spezifika von Erzählungen im Rahmen lebensgeschichtlicher Interviews 31
      1. 1.3.1. Vom Erzählen zur Erzählung 32
      2. 1.3.2. Spezifika von Erzählungen im narrativen Interview 34
      3. 1.3.3. Spezifika lebensgeschichtlicher Erzählungen 35
    4. 1.4. Potenzial der Erinnerungserzählungen 42
  4. 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
    1. 2.1. Zur Entstehung des Quellenmaterials 47
      1. 2.1.1. Der Idealtyp des narrativen Interviews und die Praxis 48
      2. 2.1.2. Die Arbeit mit dem erhobenen Quellenmaterial 50
      3. 2.1.3. Statistischer Überblick über die biografischen Interviews 52
    2. 2.2. Erinnerungspraxis und Erzähltradition: Definition und Forschungsziel 55
      1. 2.2.1. Zur Methodik der Auswertung und Analyse 58
      2. 2.2.2. Zur Darstellung der Ergebnisse 60
  5. 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
    1. 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
    2. 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
    3. 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
    4. 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
      1. 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
      2. 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
      3. 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
      4. 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
      5. 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
      6. 3.4.6. Modernisierung 112
      7. 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
      8. 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
      9. 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
      10. 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
      11. 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
      12. 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
      13. 3.4.13. Autoritäten 183
      14. 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
      15. 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
      16. 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
      17. 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
      18. 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
      19. 3.4.19. Repressives NS-System 230
      20. 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
      21. 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
      22. 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
      23. 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
      24. 3.4.24. Gefangenschaft 263
      25. 3.4.25. Heimkehr 268
      26. 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
      27. 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
      28. 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
      29. 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
      30. 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
      31. 3.4.31. Kriegsende 301
      32. 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
      33. 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
      34. 3.4.34. Entnazifizierung 324
      35. 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
      36. 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
      37. 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
      38. 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
      39. 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
      40. 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
      41. 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
      42. 3.4.42. Liebe und Ehe 370
      43. 3.4.43. Geburt der Kinder 381
      44. 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
      45. 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
      46. 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
      47. 3.4.47. Naturkatastrophen 400
      48. 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
      49. 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
      50. 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
  6. 4. Zusammenfassung und Synthese 421
    1. 4.1. Erzählstoffe und Leitlinien 422
      1. 4.1.1. Die 50 Erzählstoffe einer Durchschnittsbiografie 424
      2. 4.1.2. Ein Leben geprägt von Wandel 427
      3. 4.1.3. Arbeit als Lebensthema 428
      4. 4.1.4. Männer- und Frauenerzählungen 429
      5. 4.1.5. Geschichtliches und Lebensgeschichtliches 430
    2. 4.2. Erzählstrukturen und -strategien: Rechtfertigung, Idyllisierung, Vergleich 432
  7. 5. Verzeichnisse und Nachweise 439
    1. 5.1. Liste der anonymisierten ZeitzeugInnen 439
    2. 5.2. Literaturverzeichnis 440
    3. 5.3. Internetquellen 454
    4. 5.4. Abbildungsverzeichnis 454
    5. 5.5. Ortsregister 458
    6. 5.6. Personenregister 461
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