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342 AZ ♂, geboren 1930:
AZ: Ja, ja, und dann ist halt der Krieg aus gewesen. […] Und dann bin ich
noch in die Fortbildungsschule hinaus. Ich bin eigentlich zwei Jahre … der
Däta hat mich zwei Jahre hinaus geschickt in die Fort… Ich bin ja daheim
gewesen dann, die Landwirtschaft, gell. Konnte ich zwei Jahre in die Fortbil-
dungsschule hinaus. Und dann ist dann aber … hat dann die DZ geheiratet.
[…] Und dann ist dann der EZ auch von daheim fort. […] Und ich bin halt
„net vo dahem ko“438. Der FZ ist sechs Jahre jünger gewesen. Der ist dann
noch in die Schule gegangen. Wir haben überall den ganzen … das ganze Jahr
haben wir Arbeit gehabt. Und ich bin einfach nicht weg gekommen. An einen
Beruf hat man eigentlich nicht einmal gedacht. Und dann, bis der FZ aus der
Schule gekommen ist, habe ich eigentlich – der Däta wollte es ja auch noch
nicht – habe ich in Bludenz draußen bei der Firma [unverständlich] um eine
Maurerlehre gefragt, und bin schon fast 21 Jahre gewesen. Aber die sind da
herinnen, […] von meinem Jahrgang hat keiner eine Lehre gemacht. Keine
richtige Lehre. Nur angelernt so. Dann habe ich eben diese Lehre angefangen
draußen, anno 51 im „Advenna“439 […] Und habe aber Knopfgeld daheim
abgegeben. Für ein paar Schuhe habe ich noch das Geld behalten können. Ja,
man hat nichts gehabt. Und dann habe ich eben diese Lehre angefangen. Mit
1,80 Schilling pro Stunde habe ich damals angefangen. [lacht].
WX ♂, geboren 1932:
WX: Ich bin dann nach der Schule […] war ich, ja, bis ich 18, 19 Jahre alt war,
auf der Landwirtschaft und bin dann in die Lehre nach Bludenz gegangen.
Deswegen weil ich mich ja damals selber hab erhalten müssen, und für mich
war dann nur möglich, entweder eine Maurer- oder Zimmererlehre, weil da
hat’s schon Stundenlöhne gegeben. Damals war das noch nicht so. Ich sag jetzt
damals, ich weiß das auch nicht ganz sicher. Vielleicht war das schon nicht
mehr, nur die Schneider, zum Beispiel, die haben ja zahlen müssen dafür,
dass sie in eine Lehre gehen haben dürfen. Nur damals vielleicht schon nicht
mehr, da werden sie schon Kost und so gehabt haben und sonst nichts. Aber
ich hab, wie gesagt, nur die zwei Möglichkeiten gehabt, was anderes hat man
nicht gekannt. Ich hab dann auf den Bau müssen – ich hab Zimmerer gelernt.
Allen Darstellungen ist gemein, dass die Erzähler ihren Beruf oder die Berufs-
ausbildung nicht selbst auswählen konnten, sondern ihr weiteres Arbeitsleben am
Anfang von äußeren Determinanten abhängig war. In OPs Darstellung kommt
dies durch Formulierungen wie „man hat einfach nicht“ und „es hat geheißen“ zum
Ausdruck. Die Erzähler verzichten dabei auf Schuldzuweisungen oder Vorwürfe
und zeichnen ein Bild allgemeiner absoluter Unmöglichkeit, wenn sie diesbezüg-
438 nicht von zuhause weggekommen.
439 Advent.
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Titel
- Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
- Untertitel
- Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Verlag
- StudienVerlag
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 15.8 x 23.4 cm
- Seiten
- 464
- Schlagwörter
- Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Einführung 13
- 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
- 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
- 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
- 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
- 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
- 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
- 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
- 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
- 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
- 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
- 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
- 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
- 3.4.6. Modernisierung 112
- 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
- 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
- 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
- 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
- 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
- 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
- 3.4.13. Autoritäten 183
- 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
- 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
- 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
- 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
- 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
- 3.4.19. Repressives NS-System 230
- 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
- 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
- 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
- 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
- 3.4.24. Gefangenschaft 263
- 3.4.25. Heimkehr 268
- 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
- 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
- 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
- 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
- 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
- 3.4.31. Kriegsende 301
- 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
- 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
- 3.4.34. Entnazifizierung 324
- 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
- 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
- 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
- 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
- 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
- 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
- 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
- 3.4.42. Liebe und Ehe 370
- 3.4.43. Geburt der Kinder 381
- 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
- 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
- 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
- 3.4.47. Naturkatastrophen 400
- 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
- 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
- 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
- 4. Zusammenfassung und Synthese 421
- 5. Verzeichnisse und Nachweise 439