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376 den Leuten umgehen. Und daneben der Schwimmsport. Es ist halt nicht viel
geblieben. Und dann haben wir halt doch 54 Jahre zusammengebracht. Und
letzten Endes ist es wichtig, dass man einander hilft, und die Hilfsbereitschaft,
und froh ist, dass man noch miteinander ist, einander helfen kann. Das ist
dann schlussendlich die große Liebe, sagt man dann so schön, nicht? Dass es
gehalten hat durch alle Stürme durch. Ja.
BD ♂, geboren 1927:
BD: Aber wenn man sich das vorstellt, meine Frau ist 12 Jahre jünger. Was
die arbeiten hat müssen, oder! Für die Fremden, im Geschäft und im Haus-
halt, oder. Mir ist es halt so gegangen, wie es heute den Bauern geht. Wenn
ich ein „Maiggi“476 gehabt habe – ich habe eben darum so spät geheiratet,
oder – ich habe kein „Maiggi“ gekriegt! Wenn die erfahren hat, dass wir eine
„Burschaft“477 und „an Lada“478 haben, dann hat die die Arbeit gesehen. Und
nicht mich. Und sie ist 12 Jahre jünger gewesen, sie ist vielleicht … ja, darum
auf Deutsch gesagt hineingefallen auf mich. Oder wie sagt man? [lacht] Nein,
es ist schon wahr, oder. Aber ich habe das Glück gehabt, dass ich eben eine
tüchtige Frau gekriegt habe. Kinder haben wir leider keine gekriegt. Aber wir
leben heute trotzdem.
Diese drei Ausschnitte zeigen exemplarisch auf, wie das Thema Liebe zwischen
Arbeit, „Aufbau“, Schicksalsschlägen oder Alltag zugedeckt wird. BD beschreibt,
dass es für ihn als Landwirt und Ladenbesitzer prinzipiell schwierig war, eine Ehe-
frau zu finden, und fasst das Kapitel Liebe mit den Worten „Aber ich habe das
Glück gehabt, dass ich eben eine tüchtige Frau gekriegt habe“ zusammen. Vor allem
auch retrospektiv stehen für die ZeitzeugInnen andere Aspekte ihrer Biografie im
Vordergrund und werden eindrücklicher thematisiert als die Liebe. WD schildert
die Beziehung zu ihrem Mann als die Bereitschaft zur gegenseitigen Unterstützung
und des Bekenntnisses zueinander und kommentiert abschließend: „Das ist dann
schlussendlich die große Liebe, sagt man dann so schön, nicht? Dass es gehalten hat
durch alle Stürme durch.“
Liebesgeschichten in lebensgeschichtlichen Erzählungen beschränken sich also
zumeist auf eine Beschreibung der Umstände sowie der Ereignisse im Vorfeld
der Beziehung – zumeist allerdings ausschließlich der Beziehung zum/zur spä-
teren EhepartnerIn. Die ZeitzeugInnen rekonstruieren und skizzieren, wie sich
die späteren Eheleute kennenlernten, um schließlich die Liebesgeschichte – ganz
den moralischen Idealen der damaligen Zeit entsprechend – mit dem Datum der
Hochzeit und den Geburtsdaten der Kinder abzuschließen. Der 1910 geborene TG
soll abschließend dieses Muster der Liebesgeschichte im Rahmen einer Lebens-
476 Mädchen.
477 Landwirtschaft.
478 ein Geschäft.
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Titel
- Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
- Untertitel
- Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Verlag
- StudienVerlag
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 15.8 x 23.4 cm
- Seiten
- 464
- Schlagwörter
- Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Einführung 13
- 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
- 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
- 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
- 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
- 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
- 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
- 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
- 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
- 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
- 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
- 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
- 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
- 3.4.6. Modernisierung 112
- 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
- 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
- 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
- 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
- 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
- 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
- 3.4.13. Autoritäten 183
- 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
- 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
- 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
- 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
- 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
- 3.4.19. Repressives NS-System 230
- 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
- 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
- 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
- 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
- 3.4.24. Gefangenschaft 263
- 3.4.25. Heimkehr 268
- 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
- 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
- 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
- 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
- 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
- 3.4.31. Kriegsende 301
- 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
- 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
- 3.4.34. Entnazifizierung 324
- 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
- 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
- 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
- 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
- 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
- 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
- 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
- 3.4.42. Liebe und Ehe 370
- 3.4.43. Geburt der Kinder 381
- 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
- 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
- 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
- 3.4.47. Naturkatastrophen 400
- 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
- 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
- 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
- 4. Zusammenfassung und Synthese 421
- 5. Verzeichnisse und Nachweise 439