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Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert - Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
Seite - 387 -
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387 hell, dunkel. Und so ist es hin und her gegangen. Dann hab ich noch gedacht, wenn’s einmal ruhig ist, dann muss ich sofort schauen, dass ich zum Funk komm. Und als es ruhig war, hab ich den Kopf dann herausgebracht. Einen Moment lang hatte ich einen Schock, dann hab ich angefangen zu graben und bin raus gekommen. Das war ja nur Neuschnee, Pulver, das ist ist nicht so hart gewesen. Ich bin gut raus gekommen. Jetzt bin ich raus und eine Stück nochmal rauf. Ich weiß nicht warum ich rauf bin. Wieso sollte ich den rauf laufen, wenn ich eigentlich runter soll? Dann bin ich rauf und hab mich da nieder gesetzt. Dann ist erst so richtig der Schock gekommen. Du glaubst es vielleicht nicht, aber ich hab so gezittert. Der ganze Körper, mich hat es hoch in die Luft gerissen. Ich hab keine Handschuh mehr gehabt, keinen Hut, kei- nen Rucksack, keine Ski, keine Stecken. Alles weg. Alles unten drin. Den Funk hab ich noch drinnen im Anorak gehabt. Den hab ich dann raus und hab dem Kollegen gesagt, „du ich bin da im Kessel drin, mich hat’s mit der Lawine mitgenommen“. Danach hat er gesagt, „ich komm gleich runter.“ Dann ist er gekommen und ich hab keine Ski mehr gehabt und nichts. Ich hab dann zu Fuß ins Tal gehen müssen. Am Nachmittag hab ich dann neue Ski bekommen. Aber das sind ja nagelneue gewesen, die ich da gehabt hab [lacht]. I: Ja [lacht] ja, Wahnsinn! KP: Du wirst sagen, du bist ein Lügner, aber es ist so gewesen. I: Nein, nein, ich glaub das schon. KP: Danach bin ich nie mehr frei gewesen von Angst, wenn ich so irgendwo hab rein fahren müssen. Weil da hab ich dann vorher schon besser geschaut. Aber die Angst, die ist immer geblieben. Die hab ich nicht mehr los gebracht. Aber vielleicht hat sie mir das Leben gerettet, das weiß man nicht. Jedenfalls hab ich ein Himmel Herrgott Glück gehabt. In allen drei Ausschnitten wird deutlich, wie sich die Erzähler um eine möglichst drastische Darstellung bemühen, indem sie die Details der Verletzungen („die Nase war total kaputt, den Kopf, den hat’s auseinander gejagt, den hat’s gesprengt“, CC; „Wenn überall Blut kommt: Ohren, Nasen, Mund!“, CY) oder die Dynamik des Unfalles („dann ist es dunkel gewesen, hell, dunkel“, KP) ausführlich und mithilfe von Bildern beschreiben („Die erste Schwester ist davon gelaufen. Die hat mich nicht erkannt, die hat gemeint ich sei von den Toten auferstanden“, CC). Interessant ist hier vor allem der Kunstgriff der Fremdwahrnehmung, auf den besonders CC und CY zurückgreifen: Sie beschreiben ihre Verletzungen in optischen Bildern, die sie selbst gar nicht wahrgenommen haben können, um sie den ZuhörerInnen leichter kommunizierbar zu machen. Am Beispiel dieser Technik wird deutlich, wie sehr es sich auch bei Geschichten im Rahmen biografischer Erzählungen um Inszenie- rungen handelt, die zumeist auf eine bestimmte Aussage abzielen. In Bezug auf die Darstellungen von Unfällen kann am Beispiel der obigen drei Ausschnitte festge- stellt werden, dass sich die Erzähler selbst weniger zu Opfern eines Unfalles, als vielmehr zu Helden stilisieren. Dramatische Szenen des Unfalls sollen zunächst die Gefahr verbildlichen, aus der sich die Hauptdarsteller schließlich retten, etwa weil sie besonders belastbar oder gar zäh sind. Schwerste Verletzungen werden mit
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Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Untertitel
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
Verlag
StudienVerlag
Ort
Innsbruck
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
Abmessungen
15.8 x 23.4 cm
Seiten
464
Schlagwörter
Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
Kategorie
Geographie, Land und Leute

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. Einführung 13
  3. 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
    1. 1.1. Potenzial und Grenzen des biografischen Interviews 18
    2. 1.2. Entstehung und Funktion von Erinnerungen 22
      1. 1.2.1. Wahrnehmung 22
      2. 1.2.2. Kollektives, kulturelles, kommunikatives, autobiografischesGedächtnis 25
      3. 1.2.3. Erinnerung 29
    3. 1.3. Spezifika von Erzählungen im Rahmen lebensgeschichtlicher Interviews 31
      1. 1.3.1. Vom Erzählen zur Erzählung 32
      2. 1.3.2. Spezifika von Erzählungen im narrativen Interview 34
      3. 1.3.3. Spezifika lebensgeschichtlicher Erzählungen 35
    4. 1.4. Potenzial der Erinnerungserzählungen 42
  4. 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
    1. 2.1. Zur Entstehung des Quellenmaterials 47
      1. 2.1.1. Der Idealtyp des narrativen Interviews und die Praxis 48
      2. 2.1.2. Die Arbeit mit dem erhobenen Quellenmaterial 50
      3. 2.1.3. Statistischer Überblick über die biografischen Interviews 52
    2. 2.2. Erinnerungspraxis und Erzähltradition: Definition und Forschungsziel 55
      1. 2.2.1. Zur Methodik der Auswertung und Analyse 58
      2. 2.2.2. Zur Darstellung der Ergebnisse 60
  5. 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
    1. 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
    2. 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
    3. 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
    4. 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
      1. 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
      2. 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
      3. 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
      4. 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
      5. 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
      6. 3.4.6. Modernisierung 112
      7. 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
      8. 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
      9. 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
      10. 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
      11. 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
      12. 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
      13. 3.4.13. Autoritäten 183
      14. 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
      15. 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
      16. 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
      17. 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
      18. 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
      19. 3.4.19. Repressives NS-System 230
      20. 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
      21. 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
      22. 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
      23. 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
      24. 3.4.24. Gefangenschaft 263
      25. 3.4.25. Heimkehr 268
      26. 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
      27. 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
      28. 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
      29. 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
      30. 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
      31. 3.4.31. Kriegsende 301
      32. 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
      33. 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
      34. 3.4.34. Entnazifizierung 324
      35. 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
      36. 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
      37. 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
      38. 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
      39. 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
      40. 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
      41. 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
      42. 3.4.42. Liebe und Ehe 370
      43. 3.4.43. Geburt der Kinder 381
      44. 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
      45. 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
      46. 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
      47. 3.4.47. Naturkatastrophen 400
      48. 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
      49. 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
      50. 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
  6. 4. Zusammenfassung und Synthese 421
    1. 4.1. Erzählstoffe und Leitlinien 422
      1. 4.1.1. Die 50 Erzählstoffe einer Durchschnittsbiografie 424
      2. 4.1.2. Ein Leben geprägt von Wandel 427
      3. 4.1.3. Arbeit als Lebensthema 428
      4. 4.1.4. Männer- und Frauenerzählungen 429
      5. 4.1.5. Geschichtliches und Lebensgeschichtliches 430
    2. 4.2. Erzählstrukturen und -strategien: Rechtfertigung, Idyllisierung, Vergleich 432
  7. 5. Verzeichnisse und Nachweise 439
    1. 5.1. Liste der anonymisierten ZeitzeugInnen 439
    2. 5.2. Literaturverzeichnis 440
    3. 5.3. Internetquellen 454
    4. 5.4. Abbildungsverzeichnis 454
    5. 5.5. Ortsregister 458
    6. 5.6. Personenregister 461
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