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hell, dunkel. Und so ist es hin und her gegangen. Dann hab ich noch gedacht,
wenn’s einmal ruhig ist, dann muss ich sofort schauen, dass ich zum Funk
komm. Und als es ruhig war, hab ich den Kopf dann herausgebracht. Einen
Moment lang hatte ich einen Schock, dann hab ich angefangen zu graben und
bin raus gekommen. Das war ja nur Neuschnee, Pulver, das ist ist nicht so
hart gewesen. Ich bin gut raus gekommen. Jetzt bin ich raus und eine Stück
nochmal rauf. Ich weiß nicht warum ich rauf bin. Wieso sollte ich den rauf
laufen, wenn ich eigentlich runter soll? Dann bin ich rauf und hab mich da
nieder gesetzt. Dann ist erst so richtig der Schock gekommen. Du glaubst es
vielleicht nicht, aber ich hab so gezittert. Der ganze Körper, mich hat es hoch
in die Luft gerissen. Ich hab keine Handschuh mehr gehabt, keinen Hut, kei-
nen Rucksack, keine Ski, keine Stecken. Alles weg. Alles unten drin. Den Funk
hab ich noch drinnen im Anorak gehabt. Den hab ich dann raus und hab
dem Kollegen gesagt, „du ich bin da im Kessel drin, mich hat’s mit der Lawine
mitgenommen“. Danach hat er gesagt, „ich komm gleich runter.“ Dann ist er
gekommen und ich hab keine Ski mehr gehabt und nichts. Ich hab dann zu
Fuß ins Tal gehen müssen. Am Nachmittag hab ich dann neue Ski bekommen.
Aber das sind ja nagelneue gewesen, die ich da gehabt hab [lacht].
I: Ja [lacht] ja, Wahnsinn!
KP: Du wirst sagen, du bist ein Lügner, aber es ist so gewesen.
I: Nein, nein, ich glaub das schon.
KP: Danach bin ich nie mehr frei gewesen von Angst, wenn ich so irgendwo
hab rein fahren müssen. Weil da hab ich dann vorher schon besser geschaut.
Aber die Angst, die ist immer geblieben. Die hab ich nicht mehr los gebracht.
Aber vielleicht hat sie mir das Leben gerettet, das weiß man nicht. Jedenfalls
hab ich ein Himmel Herrgott Glück gehabt.
In allen drei Ausschnitten wird deutlich, wie sich die Erzähler um eine möglichst
drastische Darstellung bemühen, indem sie die Details der Verletzungen („die
Nase war total kaputt, den Kopf, den hat’s auseinander gejagt, den hat’s gesprengt“,
CC; „Wenn überall Blut kommt: Ohren, Nasen, Mund!“, CY) oder die Dynamik des
Unfalles („dann ist es dunkel gewesen, hell, dunkel“, KP) ausführlich und mithilfe
von Bildern beschreiben („Die erste Schwester ist davon gelaufen. Die hat mich nicht
erkannt, die hat gemeint ich sei von den Toten auferstanden“, CC). Interessant ist
hier vor allem der Kunstgriff der Fremdwahrnehmung, auf den besonders CC und
CY zurückgreifen: Sie beschreiben ihre Verletzungen in optischen Bildern, die sie
selbst gar nicht wahrgenommen haben können, um sie den ZuhörerInnen leichter
kommunizierbar zu machen. Am Beispiel dieser Technik wird deutlich, wie sehr
es sich auch bei Geschichten im Rahmen biografischer Erzählungen um Inszenie-
rungen handelt, die zumeist auf eine bestimmte Aussage abzielen. In Bezug auf die
Darstellungen von Unfällen kann am Beispiel der obigen drei Ausschnitte festge-
stellt werden, dass sich die Erzähler selbst weniger zu Opfern eines Unfalles, als
vielmehr zu Helden stilisieren. Dramatische Szenen des Unfalls sollen zunächst
die Gefahr verbildlichen, aus der sich die Hauptdarsteller schließlich retten, etwa
weil sie besonders belastbar oder gar zäh sind. Schwerste Verletzungen werden mit
Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Title
- Erzählen vom Leben im 20. Jahrhundert
- Subtitle
- Erinnerungspraxis und Erzähltraditionen in lebensgeschichtlichen Interviews am Beispiel der Region Montafon/Vorarlberg
- Publisher
- StudienVerlag
- Location
- Innsbruck
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 15.8 x 23.4 cm
- Pages
- 464
- Keywords
- Oral history, biographical narratives, narrative traditions, lebensgeschichtliches Erzählen, Erzähltraditionen
- Category
- Geographie, Land und Leute
Table of contents
- Vorwort 11
- Einführung 13
- 1. Kritik des lebensgeschichtlichen Erzählens 17
- 2. Quellenmaterial, Forschungsziel und Auswertung 47
- 3. Erinnerungspraxis und Traditionen lebensgeschichtlichen Erzählens 63
- 3.1. Einstiege in die lebensgeschichtlichen Erzählungen 63
- 3.2. Leitlinien des lebensgeschichtlichen Erzählens 67
- 3.3. Topoi in lebensgeschichtlichen Erzählungen 71
- 3.4. Lebensgeschichtliche Erzählstoffe und Mustererzählungen 73
- 3.4.1. Sagenhaftes von den AhnInnen 74
- 3.4.2. AhnInnen als GastarbeiterInnen 78
- 3.4.3. Traditionelle Landwirtschaft 84
- 3.4.4. Zuerwerb zur Landwirtschaft 98
- 3.4.5. Niedergang der traditionellen Berglandwirtschaft 104
- 3.4.6. Modernisierung 112
- 3.4.7. Alltag im traditionellen Gefüge 127
- 3.4.8. Bräuche und Gewohnheiten 136
- 3.4.9. Armut und einfache Verhältnisse 152
- 3.4.10. „Harte, arbeitsame Kindheit“ 162
- 3.4.11. Idyllisierung der einfachen Verhältnisse 173
- 3.4.12. Lausbuben- und Schulgeschichten 175
- 3.4.13. Autoritäten 183
- 3.4.14. Die 1930er Jahre und die „Tausend-Mark-Sperre“ 190
- 3.4.15. Der „Anschluss“ und seine Bedeutung für die MontafonerInnen 195
- 3.4.16. NS-Propaganda in der Schule 210
- 3.4.17. In der Hitlerjugend 213
- 3.4.18. Im (Un-)Wissen um die NS-Verbrechen 221
- 3.4.19. Repressives NS-System 230
- 3.4.20. Auflehnung und Widerstand 235
- 3.4.21. Schwarzhandel, Schwarzschlachten, Schwarzhören 237
- 3.4.22. Kriegsbeginn und die „verlorenen Jahre“ 243
- 3.4.23. Von den Schrecken des Krieges 252
- 3.4.24. Gefangenschaft 263
- 3.4.25. Heimkehr 268
- 3.4.26. Krieg in Vorarlberg 273
- 3.4.27. Flüchtlingsgeschichten 278
- 3.4.28. Von Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen 287
- 3.4.29. Von Deserteueren und „Waldhockern“ 294
- 3.4.30. Die drohende Staumauersprengung im Vermunt 297
- 3.4.31. Kriegsende 301
- 3.4.32. „Heimatverteidiger“ und Widerstandsbewegung bei Kriegsende 304
- 3.4.33. Die französische „Besatzung“ und die „Marokkaner“ 309
- 3.4.34. Entnazifizierung 324
- 3.4.35. Armut und einfache Verhältnisse in der Nachkriegszeit 329
- 3.4.36. Schmuggeln und Schmugglergeschichten 333
- 3.4.37. Wildern und Wilderergeschichten 337
- 3.4.38. Beruflicher Werdegang und Ausbildung 340
- 3.4.39. Wirtschaftlicher Aufschwung in der Nachkriegszeit 349
- 3.4.40. Neu-Anfang mit dem Tourismus 353
- 3.4.41. Urlaube mit der Familie 366
- 3.4.42. Liebe und Ehe 370
- 3.4.43. Geburt der Kinder 381
- 3.4.44. Unfälle und Krankheiten 385
- 3.4.45. Umgang mit dem Altern 393
- 3.4.46. Umgang mit Tod und Verlust 395
- 3.4.47. Naturkatastrophen 400
- 3.4.48. Mystisches und rätselhafte Begebenheiten 406
- 3.4.49. Kultur- und Jugendpessimismus 411
- 3.4.50. Geschlechterrollen und -bilder 414
- 4. Zusammenfassung und Synthese 421
- 5. Verzeichnisse und Nachweise 439