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schluss“ den Weg bereitet.115 Nicht überhört werden sollten aber auch die
Historiker, die in der „Dämonisierung des Austrofaschismus“ die Gefahr der
Verharmlosung des Nationalsozialismus erkennen.116 So bedauerlich es ist,
in einer wissenschaftlichen Arbeit derlei Kontroversen referieren zu müssen,
es gibt noch weitere: In rezenten Forschungsberichten zur österreichischen
Zeitgeschichte ordnen als kritisch sich verstehende Autoren Ergebnisse, die
ihrem Denken nicht entsprechen, der sogenannten „Koalitionsgeschichts-
schreibung“ zu117, und die angeblich „konservativen Geschichtsauffassun-
gen“ werden zum Feindbild.118 Selbstbewusst geben sich gerade junge His-
toriker auch in ihrer Rolle als Wissenschafter als „politische Menschen“119
zu erkennen, mit dem Argument, dadurch Werthaltungen offenzulegen.120
Ausdrücklich loben Wenninger/Dreidemy jene Scientific Community, der
sich die heute gültige Meistererzählung verdankt, weil sie mit neuen Frage-
stellungen an den Gegenstand herangetreten sei.121
Es sind dies aber die Fragestellungen, die die Verfasserin der vorliegen-
den Studie mit Dieter A. Binder als „die Interpretation der Geschichte als
geradlinige(n) naturgesetzlichen Fortschritt vom Niederen zum Höheren“
ablehnt, weil dahinter nichts als „naive(r) Fortschrittsglaube“122 steht. Das
Gefährliche daran ist das daraus abgeleitete Recht, unter dem Schutz der
vermeintlichen Vernunft, die sich, wie einst die unfehlbare Volonté générale,
absolut setzt123 und daher das Recht beansprucht, „ein scharf umrissenes
Richtigkeitsbild der sozialen und politischen Ordnung“ (K. Mannheim) 124 zu
verwirklichen, folglich mit dem Habitus des Richters an die Vergangenheit
heranzutreten und leichtfertig Schuldzuweisungen vorzunehmen, anstatt
von Rahmenbedingungen, Auslösern, Abläufen und Folgen zu sprechen.125
Ziel der Studie ist es daher nicht, die eben referierte Polemik durch die
Beschreibung weiterer Details aus dem politischen Tagesgeschehen fortzu-
führen, sondern einen Beitrag zur Einlösung eines bereits vor Jahrzehnten
angemahnten126 und in den erwähnten rezenten Forschungsberichten neu-
115 dreidemy, Der Dollfuß-Mythos, 238 f.; Argumente dagegen: Kindermann/rumPler/liebmann/
hanisch, Politik, 92 (M. liebmann); landGrebe/weiGl, Aktualität, 139.
116 binder, 12. Februar 1934,108.
117 schmit, „Im Namen“, 143; tálos/neuGebauer, Austrofaschismus 1.
118 dreidemy, Der Dollfuß-Mythos, 220.
119 dreidemy, Der Dollfuß-Mythos, 15; vgl. auch wenninGer, Austrian Missions.
120 reiter-ZatlouKal/rothländer/schölnberGer, Einleitung,13.
121 wenninGer/dreidemy, Das Dollfuß/Schuschnigg-Regime,7.
122 GoldinGer/binder, Geschichte, 142.
123 KosellecK, Kritik und Krise, 137.
124 mannheim, Konservatismus, 167 f.
125 binder, 12. Februar 1934, 92.
126 JedlicKa, Juliabkommen, 439 f.; vgl. aber auch noch (1996) fellner, Reichsgeschichte, 363;
1.1 DIE GELTENDE MEISTERERZÄHLUNG – UND WAS SIE OFFEN LÄSST 31
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580