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Bundespräsident Miklas80 – in kurzen Intervallen aufgelöst.81 Im Fall der
CSP erfolgte das Ende schrittweise durch freiwilligen Verzicht auf die Tä-
tigkeit.82 Ehemalige Mitglieder erhielten beherrschende Positionen in der
VF.83
Von einer Imitation faschistischer Modelle kann trotz gewisser äußerer
Parallelen nicht die Rede sein.84 Anders als beim PNF oder der NSDAP blieb
der bisherige Koalitionscharakter des Systems erhalten; die Sonderinteres-
sen verschiedener Gruppen ließen sich nicht einebnen.85 Selbst Minister und
Beamte setzten der VF, insbesondere dem 1937 eingerichteten Traditionsre-
ferat, Widerstände entgegen. Insgesamt blieb politische Bedeutung der VF
bescheiden.86
Tages-, Wochen- und Monatspresse
Eine wichtige Komponente der Neuordnung des Staates war das Pressewe-
sen.87 Die gegnerische Publizistik wurde unterdrückt88, und auch Filme un-
terlagen der Zensur.89 Die Regierung hielt dies für vertretbar, um zu verhin-
dern, dass die Presse zur Waffe gegen den Staat werde. Eine Nivellierung
und Uniformierung wie in Deutschland sei in Österreich aber nicht geplant,
wurde 1935 erläutert; man strebe eine „mittlere Linie“ an, „die in elastischer
Form gesellschafts- und staatsfeindliche Tendenzen ebenso zu behindern
wie sie Möglichkeiten aufbauender Kritik zu erschließen vermag“.90 Insge-
80 lanG, Bundespräsident Miklas, 99, 126 und 173.
81 Kommunistische Partei: Mai 1933, NSDAP: Juni 1933; Sozialdemokraten: Februar 1934,
CSP: Mai/September 1934; brauneder, Verfassungsgeschichte, 233; falle, Wurzeln, 9 f.;
tálos, Zum Herrschaftssystem, 152; tálos, Herrschaftssystem (2013), 279–281.
82 wohnout, Bürgerliche Regierungspartei, 202 f.
83 PelinKa, Stand, 14–17; wandrusZKa, Struktur, 346.
84 P. berGer, Kurze Geschichte, 161 f.; binder, Der „Christliche Ständestaat“, 210; wiPPer-
mann, Europäischer Faschismus, 90 f.
85 stimmer, Eliten, 769; zur problematischen Zusammensetzung der Führung vgl. ebd., 774–
778.
86 GoldinGer/binder, Geschichte, 224; JaGschitZ, Ständestaat, 504 f.; Kriechbaumer, Erzäh-
lungen, 618 f.; tálos, Herrschaftssystem (2013), 168–171 und 464–469; wohnout, Traditi-
onsreferat, 65 und 72–76; zur Erläuterung vgl. MSchKP 2, 1025 f.
87 S. amann, Kulturpolitische Aspekte, 119; tálos, Herrschaftssystem (2013), 306 f. und 421–
426.
88 neuGebauer, Repressionsapparat, 308 f.; sonnleitner, Widerstand, 299 f.
89 Kromar, „Österreich-Mythos“, 56– 63; Pfoser/renner, Ein Toter, 343 f.; PutscheK, Ständi-
sche Verfassung, 23 f.; sPielhofer, Pressefreiheit, 15 und 38 f.; tálos, Herrschaftssystem
(2013), 426–428.
90 CS 19. 5. 1935 (E. müller).
3.1 ÖSTERREICH 1918–1938 67
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Titel
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Untertitel
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Autor
- Erika Kustatscher
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Abmessungen
- 17.4 x 24.6 cm
- Seiten
- 682
- Schlagwörter
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580